Shinkansen 300X (Baureihe 955) Versuchszug in Japan
Shinkansen Experimentalzug „300X“: Endwagen 1 – © Shinji Iwai
Shinkansen 300X-Versuchszug – Überblick
Beim 300X handelt es sich um einen Experimentalzug, den die japanische Eisenbahngesellschaft JR-Central 1994 herstellen ließ. Vier verschiedene Hersteller waren an der Entwicklung beteiligt. Im Januar 1995 wurde der Versuchszug an JR Central übergeben. Am 26. Juli 1996 erreichte der 300X 443 km/h.
Wie es zum 300X kam
Japan Rail Central ist seit 1987 für den Superzugbetrieb auf den Tokaido-Shinkansen zuständig. Nach den ursprünglichen Garnituren der Baureihe 0 mit 210 Stundenkilometern Höchstgeschwindigkeit folgten die Züge der Serie 100, die im Plandienst mit bis zu 220 km/h eingesetzt wurden. Anschließend beschaffte sich die JR Central Hochgeschwindigkeitszüge der Baureihe 300, die ab 1992 zum Einsatz kamen und bis zu 270 km/h erreichten.[1] Eine weitere Steigerung der Geschwindigkeit schien Anfang der Neunzigerjahre mit bisherigen Technologien nicht mehr möglich zu sein – es musste technisches Neuland erkundet werden.
Jede Bahngesellschaft steckte in den folgenden Jahren viel Aufwand in die Herstellung von Experimentalzügen, um in neue Geschwindigkeitsdimensionen vorzustoßen. JR West entwickelte den Versuchszug WIN 350, von JR East entsprang der Shinkansen Star 21 und JR Central ließ den Prototypen mit dem Kürzel „300X“ herstellen, der nachfolgend kurz vorgestellt werden soll.[2]
Ende 1993 nahmen die Planungen des Versuchszuges konkrete Formen an. An ihm sollte das Fachwissen von vier Shinkansen-Herstellerfirmen zusammenlaufen. Für den delfinförmigen Endwagen 955-1 war Mitsubishi Heavy Industries verantwortlich. Hierfür wurde speziell gehärtetes Aluminium verwendet – sogenanntes Duralumin.[3][4] Dieser Endwagen hatte keine Sitzplätze. Es folgte der Mittelwagen 955-2 von Nippon Sharyo aus großen Aluminium-Strangpressprofilen. Nur in diesem Wagen befanden sich Sitzplätze. Wagen 955-3 wurde wieder von Mitsubishi Heavy Industries in einer weiteren Aluminiumtechnik gefertigt. Hier hielt auch eine aktive Neigetechnik Einzug. Es folgte der Wagen 955-4 von Nippon Sharyo, der dem Wagen 2 ähnelte, allerdings große Schiebetüren für den Einbau des sperrigen Equipments bekam. Wieder eine andere Aluminium-Verarbeitungstechnik wurde beim vorletzten Wagen mit der Nummer 955-5 angewendet, diesmal von Hitachi. Auch den Endwagen 955-6 mit der „ICE“-förmigen Kopfform stammt von Hitachi.[3]
Die Erfahrungen mit dem 300X sowie mit der Baureihe 500 der JR-West ab 1997 kamen der Konstruktion der neuen Baureihe 700 zugute, die seit 1999 auf der Tokaido/Sanyo-Linie zum Einsatz kommen.[1] Der 300X stellte am 26. Juli 1996 mit 443 km/h einen neuen Geschwindigkeitsrekord in Japan auf. Zugleich machte ihn diese Rekordfahrt zum damals zweitschnellsten Zug der Welt.[5]
Die Technik des 300X
Die Steuerungs- und Bremssysteme sind mit denen der Baureihe 300 identisch, jedoch sind alle Achsen mit 500 kW starken Motoren angetrieben. Die Leistung dieses 6-teiligen Zuges entspricht der von der 16-teiligen Baureihe 300. Vier verschiedene Baumethoden von den vier verschiedenen Herstellern wurden an den 6 Wagen ausprobiert. Das Leergewicht pro Wagen sank im Vergleich zu denen der Baureihe 300 um 10 Prozent. Die Stromabnehmer sind mit einer neuartig geformten Verkleidung umgeben. Der Radabstand im ungefederten Drehgestell wurde von 2,5 m auf 3 m erhöht. Auch dieser Zug besteht aus zwei unterschiedlich geformten Endwagen. Wagen Nr. 6 (mittleres Foto) ist dem deutschen ICE 1 ähnlich. Auf dem linken Foto ist der Wagen Nr. 1 mit der Enten- / Delphinnase zu sehen.[5]
Verbleib des 300X-Versuchszuges
Der 300X wurde erst im Februar 2002 ausgemustert. Der Endwagen 955-1 wurde nach Maibara zur Railway-Technical-Research-Institute-Windtunnelanlage gebracht und steht dort im Freien als Denkmal.[6] Endwagen 955-6 befindet sich seit 2010 im SCMaglev- und Eisenbahn-Park in Nagoya.[7]
Zug- / Baureihenbezeichnung: | 300X, Baureihe 955 |
Einsatzland: | Japan |
Anzahl der Züge: | 1 Zug |
Zugtyp: | Triebwagenzug |
Anzahl der Mittelwagen: | 4 Mittelwagen |
Anzahl der Endwagen: | 2 Endwagen |
Baujahre: | 1994–1995 |
Inbetriebnahme: | 25. Mai 1995 |
Spurweite: | 1435 mm |
Höchstgeschwindigkeit bei Versuchsfahrten: | 443 km/h am 26.07.1996 auf der Strecke Tokaido-Shinkansen |
Jakobsdrehgestelle: | Nein |
Neigetechnik: | Nein |
Zug fährt auch in Traktion: | Nein |
Ausrangiert: | 1. Februar 2002 |
Quellenangaben
- „Das Shinkansen-Netz in Japan“, Eisenbahn-Revue International, 07/2002, S. 321.
- Horst J. Obermayer: „Internationaler Schnellverkehr – Superzüge in Europa und Japan“, Franck-Kosmos Verlags-GmbH + Co., Stuttgart, 1994, S. 85.
- „300X“, Wikipedia-Artikel, abgerufen am 10.05.2020.
- „Duralumin“, Wikipedia-Artikel, abgerufen am 10.05.2020.
- Hiromasa TANAKA: „High-speed Rail Technology as Revealed by the Shinkansen“, Central Japan Railway Company, Tokyo, Japan.
- „"鉄道のテクノロジ“, Railway Technology Vol.1: Shinkansen. Japan: Sanei Mook, April 2009, S. 122.
- „JR東海博物館(仮称)建物内への展示車両の搬入について“, PDF, abgerufen am 23.07.2022.