High Speed Train Intercity 125 – Hochgeschwindigkeits-Dieseltriebzug
InterCity 125 der British Rail in Leeds. – 20.01.1989 © John Turner
Wie es zum HST kam
In den Sechzigerjahren kämpfte die Eisenbahn gegen den Siegeszug des Automobils an. Immer populärer werdende Flugreisen setzten dem inzwischen angeschlagenen Image langsamer Züge weiter zu. Die staatliche Eisenbahngesellschaft des Vereinigten Königreichs, British Railways, versuchte diesem Trend entgegen zu wirken. Leider wurde von politischer Seite zu wenig in die Modernisierung der Infrastruktur investiert. Die Elektrifizierung des damaligen Streckennetzes ging kaum voran, Vorrang dabei hatte lediglich die West Coast Main Line von London via Manchester nach Glasgow.[1]
In diese schwierige Zeit fiel die Entscheidung, neues Rollmaterial zu entwickeln, das auf den alten, kurvenreichen Hauptstrecken Fahrzeitgewinne herausholen sollte. Eine Antwort war der Advanced Passenger Train, von dem drei elektrisch betriebene Prototypen hergestellt wurden. Allerdings waren die meisten anderen Strecken immer noch nicht elektrifiziert. Daher wurde parallel zum APT an einem Dieseltriebzug für hohe Geschwindigkeiten gearbeitet: dem High Speed Train, der auch als InterCity 125 bekannt wurde.
Der High Speed Train Prototyp
Die inzwischen in British Rail umbenannte Eisenbahngesellschaft ließ ab August 1970 einen High-Speed-Train-Prototyp entwickeln, der für 200 Stundenkilometer bzw. 125 Meilen pro Stunde ausgelegt war. Es handelte sich um einen dieselelektrischen Triebzug mit zwei Triebköpfen und einer flexiblen Anzahl antriebsloser Mittelwagen vom Typ Mark III. Auf technisch aufwendige Finessen wurde bewusst verzichtet, denn zum einen fehlten die finanziellen Mittel, zum anderen wollte man möglichst keine Probleme im Betriebsalltag haben, die auf eine zu komplexe und empfindliche Technik zurückzuführen wären. Im Mai/Juni 1972 stand der Prototyp für ausgiebige Versuchsfahrten zur Verfügung, doch ein Jahr lang konnten diese wegen langwierigen Streiks nicht durchgeführt werden. Am 11. Juni 1973 stellte der Prototyp mit 230,5 km/h einen Weltrekord für Diesellokomotiven auf.[1][2] Jeder Triebkopf des Prototyps wurde mit einem 1864-kW-Paxmann-Valenta-Dieselmotor angetrieben, hatte Frontpuffer und hatte am stumpfen Ende einen Behelfsführerstand für Rangierfahrten.[3]
Die Technik der Serien-HSTs
Zwischen den Jahren 1973 und 1977 wurden insgesamt 197 Serien-Triebköpfe der Baureihe (Class) 43 bestellt.[3] Gemäß einer anderen Quelle seien Anfang der Neunzigerjahre 198 Triebköpfe und 722 Mittelwagen vom Typ Mark III im Umlauf gewesen.[4] Anderswo ist die Rede von insgesamt 95 Garnituren, wobei die letzte 1982 ausgeliefert worden sein soll.[1] Der Prototyp fand bis 1980 Verwendung, bis schließlich ein Triebkopf verschrottet wurde und der andere ins National Railway Museum nach York wanderte.[3]
Eine High Speed Train Garnitur besteht aus zwei stromlinienförmigen Triebköpfen in Leichtbauweise, zwischen denen eine variable Anzahl von 23 Meter langen Mittelwagen eingereiht werden können. In der Vergangenheit waren meist sieben oder acht Wagen pro Zug vorgesehen. In den Anfangsjahren gab es auch Kompositionen mit 11 Mittelwagen, um der starken Nachfrage gerecht werden zu können, was sich aber bei Wartungsarbeiten in den zu kurzen Werkshallen als unpraktisch erwies. Jeder Triebkopf war mit einem 1780-kW-Paxmann-Valenta-Dieselmotor ausgerüstet, der wiederum Elektromotoren mit Strom versorgte und den Zug auf seine zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometern beschleunigte.[2][4] In der Fachliteratur findet man aber auch den Leistungswert von 1678 kW für diesen Motortyp.[3] Auf die Frontpuffer, die zweigeteilte Frontscheibe und den Behelfsführerstand für Rangierfahrten am stumpfen Ende der Triebköpfe wurde verzichtet.[3] Das Gesamtgewicht einer zehnteiligen Einheit betrug 435 Tonnen bei einer maximalen Achslast von 17,8 Tonnen. Eine Führerstandssignalisierung fehlt den High Speed Trains, weswegen ein 200 km/h schneller HST den gleichen Bremsweg einhalten musst wie herkömmliche Züge aus 160 km/h. Daher wurde die Bremsanlage verstärkt ausgeführt.[4] Technische Spielereien und Neigetechnik fehlen den High Speed Trains.[1]
Einsatzgebiete des High Speed Trains
British Rail startete mit den High Speed Trains der Serie 43 das „InterCity 125“-Programm. 125 steht für 125 Meilen pro Stunde und entspricht 201 Stundenkilometer. Doch bevor die Hochgeschwindigkeitszüge über die Trassen der Western Region preschen durften, musste der Ober- und Unterbau für 200 Stundenkilometer fahrende Züge an einigen Stellen optimiert oder gar erneuert werden.[1] Die ersten 27 Garnituren nahmen am 4. Oktober 1976 den Dienst auf der Strecke London – Bristol sowie von London nach Südwales auf.[1][4] Mit der Inbetriebnahme der High Speed Trains war Großbritannien neben Japan und Frankreich eines von nur drei Ländern der Welt, die einen Schienenschnellverkehr im Plandienst mit mindestens 200 Stundenkilometern anbot. Auch die Durchschnittsgeschwindigkeiten konnten sich sehen lassen. Vier Züge zwischen Reading und Swindon erreichten eine Start-Ziel-Reisegeschwindigkeit von gut 160 km/h, einer sogar 166,2 km/h. Das war nur 11 km/h weniger als der schnellste japanische Hikari-Zug zwischen Nagoya und Shizouka![1]
Nach dem großartigen Debüt des InterCity 125 folgten weitere Bestellungen von Triebköpfen der Class 43 und entsprechenden Mark III-Wagen, um sie auf der East-Coast-Main-Line von London nach Leeds, Newcastle und Edinburgh einzusetzen. 1977 überholte Großbritannien sogar Frankreich mit seinen Aquitaine und Capitole-Zügen. Zwei Verbindungen zwischen Stevenage und Peterborough erreichten eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 171,4 km/h. 1986 waren London und Edinburgh dank der High Speed Trains nur noch 4 Stunden 23 Minuten voneinander entfernt.[1]
Weil der Advanced Passenger Train floppte, mussten die High Speed Trains das Rückgrat des InterCity-Fernverkehrs bilden. Doch die „Strapazen“ forderten ihren Tribut: Die HST waren sehr wartungsaufwendig, denn es entstanden häufig Risse in Zylinderköpfen und es gab Probleme mit den Turboladern und Auspuffanlagen. Als man die Schwierigkeiten im Laufe der Zeit in den Griff bekam, machte der InterCity 125 eine durchweg gute Figur auf nicht-elektrifizierten Strecken, von denen es in Großbritannien genügend gab.[1]
Wichtige Hauptstrecken in England, Schottland und Wales
Generalüberholung der High Speed Trains
Zwischen 1994 und 1997 wurde die British Rail schrittweise privatisiert und aufgelöst.[5] Die High Speed Trains wurden auf die verschiedenen privaten Betreiber aufgeteilt. 2011 gehörten 119 Triebköpfe dem Betreiber der First Great Western, 30 fuhren auf der East Coast Main Line, 26 Triebköpfe gehörten der East Midlands Trains, 10 waren auf der Cross-Country-Route unterwegs, 6 gehörten Great Central und 3 Network Rail. Ab 2005 bekamen die High Speed Trains, sowohl die Triebköpfe als auch die Mittelwagen, sukzessive eine Generalüberholung. Unter anderem wurden die meisten Paxmann-Valenta-Motoren zugunsten abgasärmerer MTU-Motoren des Typs 16V 4000 ausgetauscht. Diese leisten 2010 kW. Nur der Betreiber East Midlands Trains ließ den Paxman VP185 mit ebenfalls 2010 kW Leistung einbauen.[3][6]
Das Aus des IC125
Nach über 40 Betriebsjahren ist die Zeit gekommen, die beliebten High Speed Trains der Serie 43 auszurangieren. Im Rahmen des Intercity Express Programme (IEP) rollen inzwischen neue Hochgeschwindigkeitszüge der Class 800 bzw. Class 802 von Hitachi an, um die HST auf das Abstellgleis zu schieben. 2017 übernahmen die ersten Hybridzüge auf der WCML die Leistungen der HST.[7] Den IC125-Zügen werden nur noch wenige Jahre verbleiben, bis alle Einheiten durch moderne Hochgeschwindigkeitszüge ersetzbar sind.
Zug- / Baureihenbezeichnung: | High Speed Train Class 43 InterCity 125 |
Einsatzland: | Großbritannien |
Anzahl der Züge: | 95 Züge |
Anzahl der Züge im Detail: | 198 Triebköpfe und 722 Mittelwagen[4] |
Zugtyp: | Triebzug |
Anzahl der Triebköpfe: | 2 Triebköpfe |
Anzahl der Mittelwagen: | 8 Mittelwagen |
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant: | 98 / 346 / --- |
Sitzplätze im Detail: | plus unbekannte Anzahl Sitzplätze im Speisewagen |
Baujahre: | 1971–1982 |
Inbetriebnahme: | 04.10.1976 |
Spurweite: | 1435 mm |
Höchstgeschwindigkeit bei Versuchsfahrten: | 238.9 km/h |
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit: | 200 km/h |
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst: | 200 km/h |
Motoren: | 2 x 1 Paxman-Valenta-Motor = 8 x 330 kW Brush-Elektromotoren[3] |
Antriebsleistung des Zuges: | 2.640 kW ( Dieselmotoren: 2 x 1678 kW[3] bzw. 2 x 1655 kW[2] bzw. 2 x 2250 PS[1] bzw. 2 x 1780 kW[4] — je nach Quelle. ) |
Bremssysteme: | Scheibenbremsen |
Jakobsdrehgestelle: | Nein |
Neigetechnik: | Nein |
Zug fährt auch in Traktion: | Nein |
Anzahl der Achsen / davon angetrieben: | 32 / 8 |
Achsformel: | Bo'Bo'+2'2'+2'2'+2'2'+2'2'+ 2'2'+2'2'+2'2'+2'2'+Bo'Bo' |
Länge / Breite / Höhe der Triebköpfe: | 17.800 / 2740 / --- mm |
Länge / Breite / Höhe der Mittelwagen: | 23.000 / 2740 / --- mm |
Achslast (maximal): | 17.8 t |
Leergewicht: | 435 t |
Zuglänge: | 220 m |
Verbleib: | April 2011: 194 von 197 Triebköpfe in Betrieb[3] |
Quellenangaben
- Murray Hughes: „Die Hochgeschwindigkeitsstory“, Alba Publikation, 1995, S. 52–55.
- Tomas Meyer-Eppler: „Bildatlas der schnellsten Züge“, München, GeraMond Verlag, 2011, S. 109.
- Thomas Estler: „Schnelle Züge weltweit“, Stuttgart: transpress-Verlag, 2011, S. 34–35.
- Horst J. Obermayer: „Internationaler Schnellverkehr: Superzüge in Europa und Japan“, Stuttgart: Franckh-Kosmos Verlags-GmbH und Co., 1994, S. 152.
- „British Rail“, Wikipedia Deutschland, abgerufen am 16.03.2018.
- „Class 43 history“, Website www.125group.org.uk, abgerufen am 11.07.2001.
- „Teething troubles as IEP trainsets enter revenue service“, Railway Gazette International Website, News vom 16.10.2017.