Schnellfahrstrecken in Italien

Italienische Hochgeschwindigkeitszüge im Inland und benachbarten Ausland

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Die Entwicklung der ersten italienischen Schnellfahrstrecken

1927: Direttissima Roma – Napoli

Italien setzte bereits in den 1920er Jahren auf die schnelle Schiene. Zwischen Roma (Rom) und Napoli (Neapel) entstand bis 1927 eine neue Bahntrasse. Im Italienischen wird sie „Direttissima“ genannt, was übersetzt „direkteste Verbindung“ heißt. Außerdem wurde bis 1934 die vorhandene Strecke zwischen Firenze und Bologna ausgebaut.[1] Von der relativ geraden Trassierung profitierten alle damaligen Züge, aber auch neue, dreiteilige Triebwagenzüge der Serie ETR 201. Die heimische Industrie konstruierte ab 1934 achtzehn Einheiten. 1938 erreichte ein ETR 201 etwas über 200 km/h. 1939 lagen die Städte Roma und Milano (Mailand) mit den 160 km/h schnellen Triebwägen nur noch 6 Stunden auseinander.[1] Dann kam der Zweite Weltkrieg.

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Schnelle Züge in der Nachkriegszeit

In der Nachkriegszeit nutzte die Italienische Staatsbahn Ferrovie dello Stato (FS) das wieder aufgebaute Bestandsnetz. Zwei neue Baureihen sollten sowohl den Komfort als auch die Spitzengeschwindigkeit steigern. Der ab 1953 in Dienst gestellte, siebenteilige ETR 300 war ein richtiger Luxuszug, weshalb er den Namen „Settebello“ (Siebenschön) erhielt.[2] Nur drei Exemplare wurden hergestellt, die im Plandienst bis 200 km/h erreichten. Bei der anderen Baureihe handelte es sich um elektrische Triebwägen mit der Bezeichnung ALe 601. Einer der 67 Garnituren erreichte auf der Direttissima Roma – Napoli sogar 250 Stundenkilometer.

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1969–1992: Direttissima Roma – Firenze (Florenz)

Erst 1969, nachdem die italienischen Nord-Süd-Fernstrecken permanent überlastet waren, gaben die FS und die Regierung bekannt, eine Schnellfahrstrecke zwischen Roma und Firenze zu bauen. Begonnen wurde schon 1970, doch eine hohe Inflation, Missmanagement, Uneinigkeiten bei der Trassierung und unvorhergesehene geologische Schwierigkeiten verteuerten das Projekt. So konnten von der insgesamt 236[2] (238[1], 254[3]) Kilometer langen neuen Direttissima immer nur Teilabschnitte in Angriff genommen werden. Sobald einer fertig war, gelangten sowohl Güter- als auch Personenzüge durch Überleitstellen auf die neue Trasse. Erst 19921 (19913) war die komplette Direttissima befahrbar. In jenen Jahren standen als rollendes Material für den Personenverkehr die Triebwagenzüge der Serien ETR 300 und ALe 601 sowie die Schnellfahrlokomotiven vom Typ E 444 zur Verfügung. Erst 1988 standen die ersten Hochgeschwindigkeitszüge – die Pendolino-Neigezüge ETR 450 – in den Startlöchern.[1][2]

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1998–2009: Neue Schnellfahrstrecken in Ost-West- und Nord-Süd-Richtung

1988 stellte der Bahnbetreiber Ferrovie dello Stato (FS) ein umfassendes Aus- und Neubauprogramm für das italienische Schienennetz vor. Es sollte ein große „T“ auf der Landkarte bilden. Der horizontale Strich würde die Ost-West-Achse Torino – Milano – Venezia (Turin – Mailand – Venedig) bilden. Der vertikale Teil des „T“ sollte von Milano über Firenze und Roma nach Napoli führen.[1][3] Doch von der Planung bis zur Fertigstellung dauerte noch gut zwei Jahrzehnte.

In der Zwischenzeit wurden bei der heimischen Industrie reinrassige Hochgeschwindigkeitszüge bestellt, die für 300 Stundenkilometer ausgelegt waren. Nach zwei Prototypen ging die erste Generation ab 1992 in die Serienproduktion. Bei Versuchsfahrten auf der Direttissima Roma – Firenze erkannte man die Schwierigkeit, bei 3 kV Gleichspannung den nötigen Strom aus der Oberleitung zu entnehmen, um 300 km/h zu erreichen. Daraufhin wurde entschlossen, alle künftigen Schnellfahrstrecken mit 25 kV 50 Hz Wechselspannung zu speisen.[3]

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Roma – Napoli

Die erste dieser Schnellfahrstrecken konnten Ende 2005 in Betrieb gehen. Sie führt von Roma bis kurz vor Napoli und ist 206 Kilometer lang. Die restlichen 18 Kilometer bis zum neuen Bahnhof Napoli Afragola wurden erst 2008 fertiggestellt. Bis dahin rollte auch die zweite Generation des ETR 500 an. Sie sind mehrsystemfähig und damit in der Lage, unter 25 kV 50 Hz zu fahren.[3]

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Napoli – Salerno

Eine, mit 29 Kilometern Länge nur sehr kurze Schnellfahrstrecke verbindet Napoli mit Salerno. Auf ihr sind lediglich 250 km/h zulässig. Die Oberleitung wird mit 3 kV Gleichspannung versorgt.[3]

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Torino – Novara – Milano

Die zweite neue Schnellfahrstrecke verbindet die Städte Torino und Milano, wobei sie in zwei Etappen in Betrieb ging: im Februar 2006 die 126 Kilometer lange Verbindung zwischen Torino und Novara und 2009 der Abschnitt Novara – Milano.[3]

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Bologna – Firenze

Besonders aufwendig war der Bau der Trasse zwischen Bologna und Firenze. Von den 78 Kilometern verlaufen 70 Kilometer in Tunneln. 5 Tunnel haben eine Länge von je 9 Kilometern oder mehr; der längste ist 18 Kilometer lang. 2009 nahmen die Züge den Dienst nach Fahrplan auf.[3]

Seit 2009 nutzen die Hochgeschwindigkeitszüge auf dem Weg von Torino nach Napoli nahezu ausschließlich Schnellfahrstrecken. Die Gesamtlänge beträgt 888 Kilometer mit einem Tunnelanteil von 143 Kilometern. 30 Milliarden Euro wurden hierfür investiert. Dafür sollte die gesamte Fahrzeit ab 2009 von 8,5 auf 5 Stunden gedrückt werden. Mit der Bahn würde Milano von Roma nur noch drei Stunden auseinander liegen.[3] Doch laut der Fahrplanauskunft der Bahn dauert die Fahrt zwischen Milano und Roma im Jahr 2022 knapp 4 Stunden. Napoli ist von Torino aus tatsächlich in knapp 5 Stunden zu erreichen.

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Milano – Venezia

Nur zum Teil realisiert wurden Schnellfahrtrassen zwischen Milano und Venezia (Venedig). Bis 2022 waren bloß die Teilstücke Milano – Brescia und Padova (Padua) – Mestre fertiggestellt. Der noch fehlende Abschnitt Brescia – Verona – Padova ist zwar derzeit in Bau, doch bis Hochgeschwindigkeitszüge auf der gesamten Trasse rollen dürfen, werden noch einige Jahre ins Land ziehen.[4]

Parallel zum Streckenbau entstanden neue Bahnhöfe im Untergrund – so in Torino, Bologna und Firenze. Andere Bahnhöfe wurden modernisiert – wie in Roma, Novara, Milano, Reggio de Emilia und Napoli.[3]

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Quellenangaben

  1. Horst J. Obermayer: „Internationaler Schnellverkehr – Superzüge in Europa und Japan“, Franck-Kosmos Verlags-GmbH + Co., Stuttgart, 1994, S. 60, 93.
  2. Murray Hughes: „Die Hochgeschwindigkeitsstory – Eisenbahnen auf Rekordfahrten“, Alba Publikation AIF Teloeken GmbH + Co. KG, Düsseldorf, 1994, S. 115.
  3. „In Italien entsteht ein Hochgeschwindigkeitsnetz“, Eisenbahn-Revue International, 8–9/2006, S. 390–393.
  4. Marco Chiandoni: „RFI awards €1.6bn high-speed line contract“, International Rail Journal, News vom 08.06.2018.