KTX: Korea Train Express Hochgeschwindigkeitszüge in Südkorea

Südkoreas Wirtschaftsboom führte zum Verkehrskollaps

Die Republik Korea – im Allgemeinen als Südkorea bekannt – zählt zu den am dichtesten besiedelten Staaten der Welt. Rund 52 Millionen Einwohner leben im südlichen Teil der Koreanischen Halbinsel. Fünfzig Prozent der Bevölkerung konzentriert sich auf den Großraum Seoul. Weitere Millionenstädte sind Busan, Incheon und Daegu. Nach dem Koreakrieg Anfang der Fünfzigerjahre setzte ein Wirtschaftsboom ein, der Südkorea zu einem hochmodernen und reichen Industriestaat machte.[1] Infolgedessen nahm der Straßenverkehr stark zu, was nicht nur zu chronischen Überlastungen der Verkehrswege mit vielen Staus führte, sondern daraus resultierend auch stetig steigende Logistikkosten. Die Verkehrsprobleme schwächten somit die südkoreanische Wirtschaft.[2]

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Südkoreas erste Schnellfahrstrecke, Einkauf von TGV-Technologie

Die Eisenbahn als Massentransportmittel war damals veraltet und langsam. Selbst die Paradepferde aus den Sechzigerjahren, die sogenannten „Saemaeul-Express-Dieseltriebzüge, erreichten – wenn überhaupt – maximal 140 km/h.[3] Daher plante die Regierung bereits 1973, eine schnelle Schienenverbindung zwischen den wichtigsten Metropolen des Landes zu schaffen. Doch erst im Mai 1989 genehmigte die Regierung den Bau einer Schnellfahrstrecke sowie die Beschaffung von Hochgeschwindigkeitszügen.[4] Beim Rollmaterial standen ICE-Züge aus Deutschland, Shinkansen bullet trains aus Japan und der französische TGV in der engeren Auswahl. Im Sommer 1993 bekam Alstom in Frankreich den Zuschlag.[5] 1992 begann unter der Leitung des „Korean High Speed Rail Consortium“ (KHRC) der Bau der ersten Hochgeschwindigkeitsstrecke des Landes, die von Seoul nach Busan führen sollte.[4] Doch eine Krise auf den asiatischen Finanzmärkten im Jahr 1997 setzte dem ehrgeizigen Projekt zu. Die Baukosten für die tunnel- und brückenreiche, 426 Kilometer lange „Gyeongbu high-speed railway“ genannte Neubaustrecke mussten nun drastisch gesenkt werden.[6][2][7] Man einigte sich darauf, vorerst nur bis Daejeon zu bauen, und dann auf bestehenden Trassen nach Busan zu fahren. Dazu musste der Abschnitt Daegu – Busan noch modernisiert werden.[8] Die Fertigstellung der gesamten Trasse war nun für 2010 vorgesehen.[2] Alstom stellte 12 TGV-Réseau-Derivate in Frankreich her, die übrigen 34 Garnituren mussten mittels Technologie-Transfer in Südkorea gefertigt werden.

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KTX-Streckennetz und wichtige Städteverbindungen

KTX-Schnellfahrstrecken in Südkorea; Stand: 2008

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Start des KTX

Von 1999 bis 2003 gab es jede Menge Versuchsfahrten und Nachbesserungen an der Strecke und den Zügen. Im Januar 2004 begannen kommerzielle Testfahrten.[2] Der 1. April 2004 war ein denkwürdiger Tag, als die ersten 35 KTX-Züge endlich den Betrieb nach Fahrplan aufnahmen. Damals kostete eine Fahrt mit dem KTX in der zweiten Klasse von Seoul nach Busan nur umgerechnet 22 Euro. Für das Reisen in der ersten Wagenklasse waren 27 Euro angesetzt. Das bedeutete ein Aufpreis von 35 Prozent gegenüber Fahrten mit den Saemaeul-Express-Zügen.[2][3] Die Verfügbarkeit der KTX-Züge war zwar nicht so hoch wie erhofft, doch die Pünktlichkeit lag bei beeindruckenden 98 Prozent.[2]. In den ersten drei Betriebsjahren beförderten die KTX-Züge bereits 100 Millionen Fahrgäste. Das war ein Weltrekord.[9]

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Der KTX auf Expansionskurs

In den folgenden Jahren wurde nicht nur die erste Schnellfahrstrecke bis Busan verlängert, sondern auch der Bau einer zweiten Hochgeschwindigkeitsverbindung in den Südwesten Südkoreas in die Wege geleitet. Zudem konnte eine neue Fahrzeuggeneration – zu 87 Prozent „Made in Südkorea“ – fertig entwickelt werden, deren Wurzeln bis 1996 reichen.[10] 19 KTX-II-Hochgeschwindigkeits-Triebzüge der Serie 110000 wurden in einer ersten Tranche bei Hyundai Rotem beschafft.[11] Die für 350 km/h geeigneten, zehnteiligen Garnituren sind leichter als die TGV-KTX-Züge und auch komfortabler. Seit März 2010 verkehren die KTX-II im Mischbetrieb mit KTX-I-Einheiten. Leider bewährten sich die neuen, inzwischen in „KTX-Sancheon“ umbenannten Züge anfangs nicht und mussten aufwendig optimiert werden.[12] Aus den Konstruktionsfehlern lernte man und bestellte fünf zuverlässige KTX-II-Züge der Serie 110.000 nach. 2016 bekam die offizielle Bahngesellschaft Korail Konkurrenz durch den privaten Anbieter „Supreme Railways“ (SR).[13] Zuerst wurden nur Destinationen entlang der Neubaustrecken angeboten; inzwischen sind auch Städte ganz im Süden der Republik Korea Bestandteil des Fahrplans von SR.[14] Deren Fuhrpark besteht aus 22 KTX-Sancheon-Garnituren der Serie 120.000, die Supreme Railways von Korail übernahm. Zusätzlich wurden 10 KTX-Sancheon der Serie 130.000 von Hyundai Rotem beschafft.[11] Die insgesamt 32 Züge verkehren als „Super Rapid Trains“ (SRT).[13]

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Von 2007 bis 2013 entwickelte die heimische Industrie unter Federführung von Hyundai Rotem einen weiteren Experimentalzug, der für Tempo 430 ausgelegt war.[15] Dieser sechsteilige Triebwagenzug erreichte bei einer Versuchsfahrt auf der Gyeongbu-Schnellfahrstrecke am 31.03.2013 tatsächlich beeindruckende 421,4 km/h.[7] Ziel war die Abkehr vom Zügen mit Triebköpfen hin zum verteilten Antrieb – also weg von Triebzügen hin zu Triebwagenzügen. 2016 bekam der südkoreanische Hersteller den Auftrag zum Bau von vorerst 30 Hochgeschwindigkeitszügen für 250 km/h.[16] Letztendlich wurden bisher nur 19 für 260 km/h geeignete Einheiten hergestellt. Der Hersteller nennt die Züge sowohl EMU-250 bzw. EMU-260 als auch KTX-Eum.[17][18] Mittelfristig sollen weitere KTX-Eum-Garnituren für Tempo 260 folgen, die alle Dieselzüge sowie langsam fahrenden Fernverkehrszüge des Landes bis 2029 ersetzen sollen. Am 05.01.2021 begann der kommerzielle Einsatz der ersten KTX-Eum. [19][20] Hyundai Rotem stellt gleichzeitig noch eine weitere Baureihe her: den EMU-320. Züge dieser Serie sind für Höchstgeschwindigkeiten von 320 km/h konstruiert und stammen ebenfalls vom HEMU-430X-Prototyp ab.[21] Äußerlich ähneln sie den KTX-Eum-Zügen. 17 achtteilige Garnituren wird Korail bekommen, 14 identische Einheiten der Privatanbieter Supreme Railways, wobei SR seine EMU-320-Hochgeschwindigkeitszüge erst zwischen 2027 und 2028 bekommen wird.[22] Der Hersteller nennt seine neuen Superzüge KTX-Cheong-Ryong[18] (andere Schreibweisen: KTX-CheongRyong[23], KTX-Cheongryong[24]). Die beiden Vorserienfahrzeuge nahmen am 1. Mai 2024 den offiziellen Betrieb nach Fahrplan auf.[23]

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Es folgt ein kurzer Überblick über die verschiedenen Baureihen, die als Hochgeschwindigkeitszüge in Südkorea zum Einsatz kommen bzw. als Prototypen hergestellt wurden.


KTX – Südkorea

Rekord-Geschwindigkeit: 330 km/h – Inbetriebnahme: 01.04.2004
KTX der ersten Generation
Südkorea hatte Anfang der Neunzigerjahre keine ausreichende Erfahrung im Bau von Hochgeschwindigkeitszügen. Daher entschied man sich für den Einkauf bewährter TGV-Technologie aus Frankreich. Zwölf Garnituren wurden in Frankreich produziert, die übrigen 34 Züge durch Technologie-Transfer in Südkorea. Im April 2004 gingen die ersten, dem TGV-Réseau verwandten KTX (Korea Train Express) in Betrieb. Zentrales Element der Verbindung Seoul – Busan war die Schnellfahrstrecke zwischen Seoul und Daejeon, auf der Tempo 300 gefahren werden konnte. Die KTX der Baureihe 110.000 erwarben sich zwar einen guten Ruf als zuverlässige Fahrzeuge, doch es kam zu keiner Nachbestellung vom KTX-I.

HSR-350X – Südkorea

Korail HSR-350X „Hanvit“ Prototyp in Uiwang, Gyeonggi-do.
1996 schlossen sich südkoreanische Forschungsinstitute, Universitäten und private Firmen zusammen, um einen einheimischen Hochgeschwindigkeitszug zu konstruieren. Der offizielle Name war HSR-350X, aber er wurde auch G7, KHST und NG-KTX genannt. Erst 2002 konnten die ersten Versuchsfahrten durchgeführt werden. 2004 erreichte der Prototyp 352,4 km/h. 2006 erfolgte die Bestellung von Serienfahrzeugen des Typs KTX-Sancheon (KTX-II) beim Hersteller Hyundai Rotem. Das Testprogramm mit dem HSR-350X endete 2008.

KTX-Sancheon – Südkorea

Zugelassene Höchstgeschwindigkeit: 330 km/h – Inbetriebnahme: 03.2009
KTX-Sancheon (KTX-II)
Zur Steigerung der Taktfrequenz und Erweiterung des KTX-Netzes in Südkorea bekam der heimische Bahnhersteller Hyundai Rotem vom Bahnbetreiber Korail den Zuschlag, 19 neue Hochgeschwindigkeitszüge herzustellen. Die KTX-II-Garnituren sind eine Weiterentwicklung des Experimentalzuges HSR-350X. 2010 erfolgte die Inbetriebsetzung nach Fahrplan. Leider waren die inzwischen KTX-Sancheon genannten Züge unzuverlässig. Später wurden weitere, verbesserte Versionen bestellt – auch vom neuen privaten Betreiber Supreme Railways, der sie als Super Rapid Train (SRT) einsetzt. Insgesamt produzierte Hyundai Rotem 71 KTX-Sancheon-Züge.

HEMU-430X – Südkorea

Rekord-Geschwindigkeit: 421.4 km/h – in Betrieb von: 17.05.2012 bis 2015
Südkoreanischer Testzug HEMU 430X.
In Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnerfirmen stellte der südkoreanische Bahnhersteller Hyundai Rotem einen Triebwagenzug her, der für Tempo 430 ausgelegt war. Dieser Experimentalzug HEMU-430X wurde am 17.05.2012 der Öffentlichkeit vorgestellt. Gegenüber den bereits im Plandienst eingesetzten KTX-Baureihen konnte er mit einigen Pluspunkten aufwarten: Die Front war aerodynamischer und der verteilte Antrieb sorgte für eine stärkere Beschleunigung. Trotz höherer Sitzplatzkapazität stieg der Komfort. Am 31. März 2013 erreichte der HEMU-430X beeindruckende 421,4 km/h.

KTX-Eum – Südkorea

Zugelassene Höchstgeschwindigkeit: 286 km/h – Inbetriebnahme: 05.01.2021
KTX-Eum im Bahnhof Cheongnyangni.
Der KTX-Eum ist eine südkoreanische Eigenentwicklung der Bauart EMU-260. Die Serie 150000 basiert auf den Erfahrungen, die man mit dem Versuchszug HEMU-430X machte, ist aber nur für 260 km/h zugelassen. 2016 wurden vorerst 19 sechsteilige Hochgeschwindigkeitszüge beim heimischen Hersteller Hyundai Rotem bestellt. Am 4. Januar 2021 konnten die ersten Fahrgäste mit dem neuen Superzug reisen. Es ist geplant, mittelfristig alle Dieselzüge sowie langsamen Fernverkehrszüge durch Garnituren der Serie KTX-Eum zu ersetzen.

KTX-Cheong-Ryong – Südkorea

Zugelassene Höchstgeschwindigkeit: 350 km/h – Inbetriebnahme: 01.05.2024
Wikipedia: © 04.05.2024 by 생각하는 나무 - Own work, CC BY-SA 4.0.
Auf Basis des Experimentalzuges HEMU-430X konstruierte der südkoreanische Hersteller Hyundai Rotem neue Hochgeschwindigkeitszüge für 320 km/h. Von 2020 bis 2024 wurden zwei Prototypen mit der Bezeichnung EMU-320 produziert. Sie werden der Serie 160000 zugeordnet und verkehren seit dem 1. Mai 2024 regulär als KTX-Cheongryong. Im Plandienst mit Fahrgästen dürfen diese Züge auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken Gyeongbu HSR und Homan HSR vorerst nur 305 km/h schnell fahren.

EMU-370 – Südkorea

Zugelassene Höchstgeschwindigkeit: 407 km/h
EMU-370 Designstudie von Hyundai Rotem: künftiger Hochgeschwindigkeitszug für Südkorea.
Auf der InnoTrans 2024 in Berlin stellte Hyundai Rotem einen künftigen Hochgeschwindigkeitszug für Südkorea vor – den EMU-370. Bei dem Modell handelte es sich um eine Designstudie. Im Plandienst sollen die Serienzüge 370 km/h erreichen. Technische Weiterentwicklungen beim Antrieb, dem Bremssystem und den Fahrwerken, kombiniert mit Echtzeitmonitoring sollen die Zuverlässigkeit der EMU-370-Züge erhöhen. Eine verbesserte Aerodynamik wird die Hochgeschwindigkeitszüge leiser und sparsamer machen.

Insgesamt 7 verschiedene Hochgeschwindigkeitszüge

Quellenangaben

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdkorea.
  2. Kim Chun-Hwan: „Transport Revolution: The Korean High-speed Railway“, Japan Railway & Transport Review 40, März 2005, S. 8–13.
  3. „Der Korea Train Express – ein TGV für Südkorea“, Eisenbahn-Revue International, 04/2004, S. 162–169.
  4. Sara Santamaria Arribas: „The high speed arrives to Korea at the hands of Alstom“, Website Stol Report Alstom.
  5. „Südkorea“, in: Schnelle Züge weltweit, S.132–133.
  6. „Finanzkrise bremst Hochgeschwindigkeitsverkehr“, Eisenbahn-Revue International, 7-8/1998, S. 322.
  7. „Asian Tigers Join the Speed Club“ in: „The Second Age of Rail“, S. 109–114.
  8. „Korea high speed rail test run a success“, Website von ktx.or.kr, abgerufen am 16.07.2001.
  9. „100 Millionen Reisende im KTX“, Eisenbahn-Revue International, 07/2007, S. 352.
  10. „KTX-II ready to enter service“, Railway Gazette International, 11.02.2010.
  11. „KTX-Sancheon“, NamuWiki, abgerufen am 12.07.2024.
  12. „KTX-Sancheon achieves reliability target“, Railway Gazette International, 10.12.2012.
  13. Julie Jackson: „New SR railway company to launch super rapid trains“, HERALD corporation, 05.12.2016.
  14. „Supreme Railways to serve more cities from September“, Railway Gazette International, 24.04.2023.
  15. „Project Record“, Website von Hyundai Rotem, abgerufen am 15.06.2017.
  16. „Hyundai Rotem selected to supply Korail high speed EMUs“, Railway Gazette International, 23.05.2016.
  17. „Korail takes delivery of first Hyundai Rotem EMU-250 trainset“, Railway Gazette International, 05.11.2019.
  18. „Rolling stock: High-Speed Train“, Website von Hyundai Rotem, abgerufen am 12.07.2024.
  19. „Südkorea nimmt selbst entwickelten Highspeed-Zug in Betrieb“, Manager Magazin, 05.01.2021.
  20. „South Korea: Korail launches new KTX-Eum high-speed train“, UIC Website, 21.01.2021.
  21. „EMU-320 high speed train unveiled“, Railway Gazette International, 20.10.2022.
  22. „Korail and Supreme Railways order high speed trains“, Railway Gazette International, 22.05.2023.
  23. „KTX-CheongRyong high speed train enters service“, Railway Gazette International, 10.05.2024.
  24. Robert Preston: „Korail launches KTX-Cheongryong high-speed train“, International Railway Journal, 03.05.2024.