ICE L – Lokbespannter Niederflur-Fernverkehrszug von Talgo
ICE-L Steuerwagen. – 10.12.2023 © Wikipedia: E235JREMU (CC BY-SA 4.0)
Erste Bestellung von 23 Talgo-Zügen
Sowohl im Fern- als auch im Nahverkehr favorisierte die Deutsche Bahn über Jahre hinweg die Beschaffung von Triebzügen bzw. Triebwagenzügen. Umso überraschender war die Ausschreibung lokomotivbespannter, einstöckiger Garnituren für den Fernverkehr im Jahr 2017.[1] Der spanische Bahnhersteller Talgo bekam 2019 den Zuschlag, 23 Fernverkehrszüge unter dem Arbeitstitel „ECx“ für die Deutsche Bahn zu konstruieren. Der Rahmenvertrag geht über bis zu 100 Züge des Typs „Talgo 230“.[2] Mit dem ECx sollen alte Intercity-1-Züge abgelöst werden. Die Bespannung mit Mehrsystemlokomotiven erlaubt den Einsatz auf internationalen Routen.[3]
Aus ECx wird ICE L
Die Marke „ICE“ zählt zu den bekanntesten in Deutschland. Daher hat es sich die Deutsche Bahn zu eigen gemacht, auch Nicht-Hochgeschwindigkeitszüge als ICE zu vermarkten. Prominente Beispiele sind der ICT, der zum ICE-T wurde sowie dessen Dieseltriebwagen-Variante, der vom ICT-VT zum ICE-TD aufstieg.[4][5] Die unter dem Arbeitstitel „ICx“ bestellten Züge wurden schließlich in ICE 4 unbenannt. Daher verwundert es nicht, dass man auch „ECx“ unbenannte – aber nicht in ECE, denn beim EuroCity-Express handelt es sich bereits um Hochgeschwindigkeitszüge der Serie ETR 610. Vermarktet werden die lokbespannten Talgo-Wendezüge stattdessen als ICE L, wobei das „L“ für „Low Floor“[6] bzw. „low floor“[7] (englisch: Niederflur) steht.
Die Technik des ICE L
Ein ICE-L-Zugverbund wird aus einer Lokomotive, 16 Mittelwagen und einem Steuerwagen bestehen. Damit ähnelt das Antriebskonzept dem des railjet. Bei der Lokomotive handelt es sich um eine Talgo-Eigenkonstruktion mit dem Namen „Travca“.[2] Die vierachsige Mehrsystem-Lokomotive leistet 6.400 KW und ist für 230 km/h ausgelegt. Sie wird in Deutschland als Baureihe 105 rollen.[8] Bei den Mittelwagen handelt es sich um bewährte Reisezugwagen mit Einzelradfahrwerken, die auf der Talgo-230-Plattform basieren.[9] Sie bewährten sich bereits in ähnlicher Form in Hochgeschwindigkeitszügen der Serien 106, 102 bzw. 112, 130 und 730 sowie bei den internationalen Verwandten Afrosyob und Haramain.[12] „Die Technologie des Losradfahrwerks von Talgo ermöglicht es, Züge auf Bahnsteighöhe mit durchgängiger Niederflurigkeit im gesamten Zugverband zu konstruieren“[12]
ICE L: Komfort und Inneneinrichtung
„Der Talgo ICE L ist ein Zug ohne Stufen: Alle Einstiegsbereiche, alle Gänge, praktisch alle Sitze... befinden sich auf dem gleichen Niveau wie der Bahnsteig“[12] Die DB bewirbt den neuen Zugtyp als einen neuen Maßstab für Barrierefreiheit. Rollstuhlfahrer sind in der Lage, selbständig an Bord ein- und auszusteigen – vorausgesetzt, die Bahnsteighöhe entspricht der Fußbodenhöhe von 76 Zentimetern.[10] Weitere Annehmlichkeiten für die Fahrgäste sind WLAN, viel Platz für Gepäck, ein Bordbistro sowie ein Fahrgastinformationssystem mit Echtzeitdaten.[13]Laut DB wird es kein Bordbistro, sondern ein Bordrestaurant sein.[7] Ein neues Innendesign soll „Wohnzimmeratmosphäre auf der Schiene“ bieten.[11]
DB bestellt weitere ICE L
Im Mai 2023 gab die Deutsche Bahn bekannt, weitere 56 ICE L bei Talgo zu kaufen.[6] Wie auch die 23 Einheiten der ersten Bestellung, werden die Fernverkehrszüge im spanischen Rivabellosa gefertigt.[12] Doch die Covid-19-Pandemie hat zu Lieferschwierigkeiten bei Komponentenherstellern geführt. Damit werden die ersten Züge später ausgeliefert als geplant. Das kam der DB aber ganz gelegen; so konnten die Garnituren dahingehend modifiziert werden, dass auch Loks anderer Hersteller vorgespannt werden können. Das ist auch nötig, denn die Talgo-Lokomotiven sollen zur Aufnahme des Personenverkehrs noch nicht zur Verfügung stehen.[8]
Künftige Einsatzgebiete des ICE L
Im Oktober 2024 sollten die ersten ICE L im Fahrplan auftauchen.[3] Es gebe jedoch Verzögerungen beim Test- und Zulassungsprozess. Mit der Betriebsaufnahme wird nun Mitte 2025 gerechnet.[13] Zu Beginn werden sie Berlin mit Amsterdam verbinden. Auch Westerland (Sylt) und Oberstdorf sind als Destinationen geplant. Weiterhin sollen die ICE L nach Dänemark und Österreich rollen.[3][6] Während auf elektrifizierten Strecken Vectron-Loks die Züge bewegen werden, sind für nicht-elektrifizierte Verbindungen Dualpower-Vectrons vorgesehen.[8]
ICE L-Derivat für Dänemark
Die Dänischen Staatsbahnen (DSB) haben beim spanischen Hersteller Patentes Talgo acht 15-teilige Garnituren in Auftrag gegeben. Im Gegensatz zum ICE L sind diese jedoch nicht wendezugfähig; es fehlen der Steuerwagen und die Lokomotive. Die DSB wird ihre eigenen Vectron-Mehrsystemlokomotiven von Siemens in Sandwich-Bespannung verwenden. Ab 2024 sollten die ersten 230 km/h schnellen Hochgeschwindigkeitszüge auf der Relation København – Hamburg zum Einsatz kommen,[12] doch im Frühjahr 2024 wurde bekannt, dass sich der Einsatzbeginn auf Mitte Februar 2025 verschieben wird.[13]
Zug- / Baureihenbezeichnung: | ICE L Projektname: ECx Travca-Mehrsystemlokomotive von Talgo: DB-Baureihe 105. (alternativ möglich: Vectron-Mehrsystemlokomotive Baureihe 193) Vectron Dual Mode (Zweikraftlokomotiven): Baureihe 248 |
Einsatzland: | Deutschland, Niederlande, Dänemark, Österreich |
Hersteller: | Patentes Talgo Vectron-Lokomotiven: Siemens |
Herstellungskosten pro Zug: | 23,91 Mio. Euro |
Herstellungskosten pro Zug im Detail: | Die ersten 23 Garnituren kosten 550 Millionen Euro[10] |
Anzahl der Züge: | 79 Züge |
Anzahl der Züge im Detail: | 1. Bestellung 03/2019: 23 Züge 2. Bestellung 05/2023: 56 Züge |
Zugtyp: | Lokbespannter Wendezug |
Anzahl der Lokomotiven: | 1 Lokomotive |
Anzahl der Endwagen: | 1 Endwagen |
Anzahl der Mittelwagen: | 15 Mittelwagen |
Anzahl der Steuerwagen: | 1 Steuerwagen |
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant: | 85 / 477 / 12 (562 insg.) |
Sitzplätze im Detail: | davon Plätze im Familienbereich: 46 9 Sitzplätze im Kleinkindabteil 3 Rollstuhlplätze 8 Fahrradstellplätze alle Angaben zum Platzangebot lt. [13] |
Baujahre: | 2019–2030 |
Spurweite: | 1435 mm |
Stromsystem(e): | 15 kV 16,7 Hz 25 kV 50 Hz |
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit: | 230 km/h |
Antriebsleistung des Zuges: | 6.400 kW |
Einzelradlaufwerke: | Ja |
Neigetechnik: | Nein |
Zug fährt auch in Traktion: | Nein |
Anzahl der Achsen / davon angetrieben: | 24 / 4 |
Achsformel: | Bo’Bo+2’1’1’1’1’1’1’1’1’1’1’1’1’1’1’1’1’2’ |
Länge / Breite / Höhe der Lokomotive: | 19.700 / --- / 4200 mm |
Länge / Breite / Höhe der Mittelwagen: | --- / --- / 3800 mm |
Länge / Breite / Höhe der Endwagen: | --- / --- / 3800 mm |
Länge / Breite / Höhe des Steuerwagens: | --- / --- / 3800 mm |
Leergewicht: | 406 t |
Zuglänge: | 256 m |
Quellenangaben
- „DB schreibt einstöckige lokomotivbespannte Reisezüge aus“, Eisenbahn-Revue International, 4/2017, S. 182.
- „Erster Blick auf die Talgo-Züge von DB Fernverkehr“, Eisenbahn-Revue International, 4/2019, S. 192.
- „19 Fakten zum neuen ‚ECx‘“, Deutsche Bahn, 14.03.2019.
- „System-Sprung“, Eisenbahn Magazin, 11/1995, S. 35.
- „Dieselelektrischer Schnelltriebzug VT 605 (ICE-TD) für die Deutsche Bahn AG“, Eisenbahn-Revue, 10/2000, S. 444.
- „Der ICE L: der erste ICE mit stufenlosem Einstieg“, DB Themendienst, Mai 2023.
- „Leichter einsteigen: Deutsche Bahn präsentiert ersten stufenlosen ICE“, Deutsche Bahn Presseinformation, 14.09.2022.
- „DB: Die ICE L verspäten sich“, Der Mobilitätsmanager, 02.09.2022.
- „ICE L: Die Rückkehr des konventionellen Zuges“, Website Talgo.com, abgerufen am 20.05.2023.
- „Mehr Komfort, mehr Verlässlichkeit, mehr Platz: Deutsche Bahn stellt neuen Fernverkehrszug ‚ECx‘ vor“, Deutsche Bahn, Presseinformation, 13.03.2019.
- „Deutsche Bahn: Erster Wagen des neuen ICE L in Berlin vorgestellt“, LOK-Report, 14.09.2022.
- „Erste Wagenkästen für Talgo-Züge der DB und DSB fertig“, Eisenbahn-Revue International, 7/2022, S. 375.
- „Exklusiv: Einsatz der ICE L erst ab Mitte 2025 geplant“, Eurailpress, 17.05.2024.