AVE Serie 102, Serie 112, Avlo – Talgo-Hochgeschwindigkeitszüge in Spanien

AVE Serie 112 im Bahnhof "Madrid Puerta de Atocha". – 04.09.2013 © André Werske

AVE Serie 112 im Bahnhof "Madrid Puerta de Atocha". – 04.09.2013 © André Werske

Für die im Bau befindliche Strecke von Madrid nach Barcelona über Zaragoza suchte die neu gegründete Eisenbahngesellschaft GIF nach neuen Zügen. Dabei standen drei Kandidaten zur Auswahl. Zum einen bot die französische Firma Alstom / CAF mehrere TGV-Versionen an: eine modernere Variante des aus Frankreich importieren AVE S-100, einen TGV-Duplex oder nach Vorbild des ICE 3 ein unterflur angetriebenen Triebzug, dessen Prototyp (AGV) zu dieser Zeit in Frankreich entstand. In Deutschland bot Siemens den ICE 3 an und Talgo zusammen mit Adtranz Schweiz den Talgo 350. Spanien entschied sich im März 2001 für 16 ICE3-Züge und 16 neu zu entwickelnde Talgo-350-Züge. Der offizielle Name des Talgo 350 lautet „AVE S-102“.

Bombardier meldete am 29. Dezember 2005, dass die spanische Eisenbahngesellschaft RENFE weitere 30 Kompositionen der Serie 102 bestellte. Das Auftragsvolumen liegt bei 655 Millionen Euro. Die Auslieferung soll zwischen August 2008 und Dezember 2010 erfolgen.

zum Anfang scrollen

Entwicklung

Relativ spät stieg Patentes Talgo SA in den Hochgeschwindigkeitsverkehr ein. Die seit langem mit Erfolg eingesetzten Talgo-Züge im Breitspurnetz ließen hoffen, dass sich Talgo auch bei schnellen Zügen einen guten Namen macht. Erste große Erfolge erzielten die Spanier mit Testfahrten auf der deutschen Hochgeschwindigkeitsstrecke Würzburg – Hannover. Eine Talgo-Einheit wurde 1994 von dem ICE-V auf 360 km/h beschleunigt. 1998 erteilte Patentes Talgo SA den Auftrag für den Bau eines kompatiblen Triebkopfes. Krauss-Maffei in München lieferte unter anderem den Lokomotivkasten, Adtranz die elektrische Ausrüstung und die Drehgestelle. Der in Zürich fertiggestellte Triebkopf wurde auf dem Straßenweg nach Spanien transportiert und im März 2000 an Talgo übergeben.

zum Anfang scrollen

Testfahrten

In kleinen Schritten tasteten sich die Ingenieure an die vorgesehene Höchstgeschwindigkeit von 350 km/h heran. Die Testfahrten wurden zu Beginn auf der Schnellstrecke Madrid – Sevilla durchgeführt, später auch auf der NBS Madrid – Lleida. Der Prototyp bestand aus einem Triebkopf, fünf Mittelwagen und einem Endwagen mit Hilfsführerstand. Später sollen zwei Triebköpfe 12 Mittelwagen auf Touren bringen. Mehr als 13.000 Kilometer hatte der Zug hinter sich gelassen. Am 22. November 2000 erreichte er erstmals 300 km/h, die er später noch ein paar Mal erzielte. Alle Komponenten arbeiten in der Testphase erfreulich zuverlässig. Nach insgesamt drei Jahren legte der Versuchszug etwa 43.000 Kilometer zurück. Die Maximalgeschwindigkeit lag am 25. Juni 2005 bei 364 km/h.

zum Anfang scrollen

Einsatz

Seit dem 26. Februar 2004 verkehren einige Züge zwischen den Städten Madrid und Lleida über Zaragoza. Pro Tag gab es vier Verbindungen je Richtung. Bis zu 318 Fahrgäste finden in dem anfangs 200 km/h schnellen Zug Platz. Technisch zugelassen ist er für 330 km/h (ursprünglich: 350 km/h), doch die Geschwindigkeit darf er erst ausfahren, wenn das Signalsystem der Strecke in Betrieb geht. Seit 19. Mai 2006 soll die Betriebsgeschwindigkeit auf 250 km/h gesteigert worden sein, bis Ende 2006 sind 280 km/h anvisiert.

zum Anfang scrollen

Avlo

Um mehr Fahrgäste für das Reisen mit der Bahn zu gewinnen entschied sich die spanische Eisenbahngesellschaft RENFE für die Einführung einer „Billiganbieter-Marke“. Dazu wurden 5 von 30 Hochgeschwindigkeitszügen der Serie AVE S-112 umgebaut. Sie heißen Avlo (Alta Velocidad Low Cost), führen nur eine Wagenklasse, haben keine Cafeteria und bieten 438 Sitzplätze. Eigentlich sollten die violetten Avlo-Züge bereits 2020 Fahrgäste befördern, aber wegen der Covid-19-Pandemie hat sich die Betriebsaufnahme verzögert. Start war am 26. Juni 2021 mit vier täglichen Zugpaaren auf der Route Madrid – Barcelona. Anfang 2022 weitete man das Angebot auf die Relation Madrid – Valencia aus.

zum Anfang scrollen

Streckennetz AVE, Avant, Alvia, Avlo, iryo, Ouigo

Inneneinrichtung / Technik

Der 7-teilige Vorserien-Halbzug ist lediglich 96 Meter lang, bedingt durch die kurze Wagenlänge von 13 Metern. Der gesamte Zug ist druckdicht und voll klimatisiert. Die Serienzüge bieten drei Wagenklassen: Club, Preferente und Turista. Die Fahrgäste können sich durch zwei Video- und vier Audioprogramme unterhalten lassen. An jedem Platz sind Steckdosen für den Anschluss von Notebooks vorhanden. Interaktive Displays stellen laufend neue, unter anderem auf GPS gestützte Informationen zum Fahrtverlauf bereit. Der Führerstand entspricht dem des Schweizer ICN. Eine Broschüre von Talgo erwähnt eine natürliche Wagenkastenneigung, ohne jedoch den Neigungswinkel anzugeben. Ob sich nun der Zug tatsächlich in den Kurven neigen kann, ist mir jedoch nicht bekannt.

zum Anfang scrollen

Zukunftsaussichten

Ende Dezember 2005 bekam das Konsortium aus Bombardier und Patentes Talgo einen Zuschlag zum Bau weiterer 30 Hochgeschwindigkeitszüge der Serie AVE S-102 für 330 km/h. Der Gesamtwert wird mit 655 Millionen Euro beziffert. Zwischen August 2008 und Dezember 2010 erfolgt die Auslieferung.

zum Anfang scrollen

Weitere Seiten zum AVE Serie 102 und Serie 112

Technische Daten:
Zug- / Baureihenbezeichnung:
Talgo 350 (Prototyp)
AVE S-102 (Serienzug)
Einsatzland:Spanien
Hersteller:Patentes Talgo SA (Spanien)
Bombardier (Spanien / Deutschland)
Herstellungskosten pro Zug:21,7 Mio. Euro
Anzahl der Züge:47 Züge
Anzahl der Züge im Detail:
1 Prototyp
16 Serienzüge (1. Lieferung)
30 Serienzüge (2. Lieferung)
Zugtyp:Triebzug
Anzahl der Triebköpfe:2 Triebköpfe
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant:--- / --- / --- (318 insg.)
Sitzplätze im Detail:
1 TK, 6 Mittelwagen (Versuchszug)
2 TK, 12 Mittelwagen
Baujahre:1998–2010
Inbetriebnahme:26.02.2005
Spurweite:1435 mm
Stromsystem(e):25 kV / 50 Hz
Zugleitsystem(e):LZB (erweitert), ETCS, Asfa
Höchstgeschwindigkeit bei Versuchsfahrten:364 km/h
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit:330 km/h
350 km/h (Prototyp)
330 km/h (Serienzüge)
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst:330 km/h
Antriebsleistung des Zuges:8.000 kW
Anfahrzugkraft:120 kN
Bremssysteme:Rekuperationsbremse
Widerstandsbremse
Bremsscheiben
Einzelradlaufwerke:Ja
Neigetechnik:Nein
Zug fährt auch in Traktion:Ja
Anzahl der Achsen / davon angetrieben:21 / 8
Achsformel:Bo'Bo+1'1'1'1'1'1'1'1'1'1'1'1'1+Bo'Bo'
Federung:Talgo Pendular, pneumatisch, mit natürlicher Wagenneigung (gemäß Talgo-Broschüre)
Länge / Breite / Höhe der Triebköpfe:--- / 2960 / 4000 mm
Länge / Breite / Höhe der Mittelwagen:13.140 / 2960 / --- mm
Achslast (maximal):17 t
Zuglänge:200 m

zum Anfang scrollen