TGV Réseau Hochgeschwindigkeitszug in Frankreich
TGV Réseau in Paris – 08/2002 © Andre Werske
Technik des TGV Réseau
Der TGV Réseau unterscheidet sich äußerlich kaum vom TGV Atlantique. Am ehesten erkennt man ihn daran, dass er wegen der kurzen Bahnsteige im Gare de Lyon und Gare du Nord in Paris mit nur 8 statt 10 Mittelwagen auskommen muss. Technisch gesehen ist der TGV der zweiten Generation aber weiter entwickelt. Die Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h muss auch auf Steigungen von 35 Promille gehalten werden, weswegen in den Triebköpfen neue, größere Fahrmotoren zum Einsatz kommen, die sich nicht so schnell aufheizen. Ebenso sind die Transformatoren für eine größere Energieversorgung ausgelegt. Das Bremssystem kann nun mehr Energie als bei älteren Generationen aufnehmen, um kürzere Bremswege zu ermöglichen. Die erweiterte Version des französischen Zugbeeinflussungssystems TVM 430 ersetzt den Vorgänger TVM 300. Somit ist es möglich im 3 Minuten-Takt mit 300 km/h zu fahren.
Von den 80 Réseau-Zügen sind 30 Garnituren für den Dienst nach Belgien geeignet, das heißt, die Garnituren mit den Zugnummern 4501 bis 4530 kommen mit dem belgischen Strom- und Signalsystem zurecht. Sechs dieser 30 Dreisystem-TGV-R-Züge (Zugnummern 4501–4506) verstehen zusätzlich das in Italien übliche Signalsystem R54. Ihr Einsatzgebiet ist die Route Paris – Lyon – Torino – Milano. Die übrigen 50 Züge mit den Nummern 501–550 sind für den innerfranzösischen Verkehr gedacht, weswegen sie für lediglich zwei Stromsysteme ausgelegt sind. Alle 80 TGV sind Silber/Blau lackiert und nicht mit den roten Thalys-PBA-Zügen zu verwechseln!
Inneneinrichtung des TGV Réseau
Die Wagen sind erstmals druckertüchtigt ausgeführt, da die Nordstrecke mehr Tunnel aufweist, als die bisherigen Neubaustrecken. Außerdem ist eine Druckertüchtigung wirtschaftlicher als die Tunnelquerschnitte zu vergrößern. Erstmals können die Reisenden auch in der zweiten Wagenklasse die Rückenlehnen neigen. Die Gepäckräume sind großzügig gehalten, um möglichst viel Gepäck zu verstauen. Die Räume im Klubstil, wie sie im TGV Atlantique zu finden sind, wurden nicht übernommen. Der Bar-Restaurant-Bereich verkleinerte sich zugunsten von weiteren Sitzplätzen. Die Anzahl der Sitzplätze unterscheidet sich von Zug zu Zug: Einheiten, die von und nach Paris fahren, führen drei Wagen der 1. Klasse mit sich (entspricht 377 Sitzplätzen pro Zug). In allen übrigen TGV-Réseau-Kompositionen sind nur zwei Erstklasswagen integriert. Damit erhöht sich die Sitzplatzanzahl pro Zug auf 394. Der Sitzabstand wurde aus Komfortgründen erhöht, indem eine Sitzreihe pro Wagen im Vergleich zum Atlantique-Typ entfiel.
Einsatz des TGV Réseau
Wie der Name „Réseau“ (= Netz) andeutet, können alle TGV-Züge dieser Generation auf dem kompletten TGV-Netz verkehren. Dabei müssen sie teilweise extrem lange Strecken zurücklegen. So gab es beispielsweise eine Thalys-Verbindung von Brüssel nach Nizza. Die Fahrt dauerte insgesamt 8 Stunden 14 Minuten. Fünfeinhalb Stunden lang lag die Höchstgeschwindigkeit bei 300 km/h, die nur durch kurze Zwischenhalte an den Bahnhöfen unterbrochen wurde.
Unfälle mit TGV-Réseau-Zügen
Erwähnenswert ist die Entgleisung eines TGV Réseau auf der Nord-Schnellstrecke. Unter den Gleisen lag ein Bunker vom Ersten Weltkrieg, der durch starke Regenstürme und Unterspülungen der Trasse einstürzte. Am 22. Dezember 1993 rauschte der TGV mit 295 km/h über die abgesenkten Gleise und entgleiste. Glücklicherweise wurden nur zwei der 200 Fahrgäste leicht verletzt. Das war übrigens die bisher „schnellste Entgleisung“. Trotzdem blieben alle Wagen gerade auf dem Gleisbett zum Stehen. Das waren für Alstom und die SNCF wieder ein Beweis für die Sicherheit und Zuverlässigkeit des TGV-Drehgestellsystems.
Am 25. September 1997 prallte ein TGV Réseau in der Nähe von Dunkerque mit 130 km/h gegen eine auf dem Bahnübergang liegen gebliebene Asphaltierungsmaschine. Der Zug erlitt erheblichen Schaden und wurde danach nicht mehr in Dienst gestellt. Sieben Leichtverletzte im Zug waren die Folge.
Versuchs- und Rekordfahrten mit dem TGV Réseau
TGV-Réseau-Züge wurden auch für Versuchsfahrten herangezogen. Gerade für die Inbetriebnahme der Ligne à Grande Vitesse Méditerranée fanden ausgiebige Abnahmefahrten statt. Den Oberbau und die Oberleitung testete man auf Herz und Nieren, da die Streckengeschwindigkeit auf 320 km/h angehoben wurde. Um die Anwohner in der Nähe der Strecke zu beruhigen, wurde die Schallemission gemessen. Dem Lärm begegnete man durch die Erweiterung von Schallschutzwänden. Auch die Seitenwindempfindlichkeit musste geprüft werden, da in dieser Region der Mistral mit bis zu 190 Stundenkilometern bläst.
Ein spezieller TGV Réseau (Nummer 531), der schon mehr als 2,5 Millionen Kilometer zurückgelegt hatte, wurde für all diese Versuche herangezogen. Es gab zwar keine strukturellen Änderungen, jedoch waren ein paar Anpassungen dafür notwendig. Der erste Wagen wurde mit Messgeräten ausstaffiert. Für Höchstgeschwindigkeiten von 360 km/h modifizierten die Ingenieure die Software der Antriebssteuerung, um die Motorenleistung des Zuges auf 11.200 kW zu erhöhen. Härtere Dämpfer erhöhten die Stabilität des Fahrzeuges. Den Raddurchmesser hielt man bei.
Den krönenden Abschluss der Rekordfahrten bildete die Präsentationsfahrt am 26. Mai 2001 zwischen Calais Fréthun am Ärmelkanal und dem 1067 Schienenkilometer entfernten Marseille St. Charles am Mittelmeer. Gerade bei dieser Langstreckenrekordfahrt wurde so gut wie alles messtechnisch überwacht: Motoren, Transformatoren, Getriebe, mechanische Komponenten, elektrische Systeme, etc. Die Fahrt des TGV Réseau 531 dauerte schließlich sogar weniger als bei den vorangegangenen Langstrecken-Versuchsfahrten. Nach nur 3 Stunden, 29 Minuten und 36 Sekunden war Marseille erreicht. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 366,6 km/h im Bereich der neuen Méditerranée-Strecke. Auf der Süd-Ost-Trasse betrug sie immerhin 300 km/h. Die niedrigste Geschwindigkeit lag systembedingt bei der Durchfahrt vom Bahnhof Lille Europe bei nur 200 km/h. Die Durchschnittsgeschwindigkeit war 305 km/h, ohne eingeschaltetem TVM 430, aber mit Beibehaltung des normalen TGV-Verkehrs zwischen Calais und Valence. Nur auf dem Abschnitt Valence-Marseille war der TGV 531 für sich allein. Die damit gewonnenen Erfahrungen waren schließlich bei der Realisierung der TGV-Ost-Linie (LGV-Est / POS) hilfreich.
Wegfall von TGV-Réseau-Zügen
Sowohl im Dezember 2003 als auch im Juli 2005 bestellte die SNCF bei Alstom Doppelstock-TGV-Mittelwagen – allerdings ohne Triebköpfe. Diese nahm man stattdessen von den bestehenden 19 TGV-Réseau-Garnituren und kuppelte sie an die Duplex-Mittelwagen. Die gemischten Konfigurationen heißen „TGV Réseau Duplex“. Die 38 Réseau-Triebköpfe hatten vorher die Zugnummern 515-526, 529, 530, 532 sowie 4507-4509. Die insgesamt 152 frei gewordenen TGV-Réseau-Mittelwagen ihrerseits wurden von Grund auf modernisiert und zwischen neu hergestellten TGV-POS-Dreisystemtriebköpfen eingereiht. Sie bildeten zwischen 2004 und 2007 den Fahrzeugpark des TGV Est bzw. TGV POS.
Weitere Informationen zum TGV Réseau
Zug- / Baureihenbezeichnung: | TGV-Réseau,
Serie 28000 (2-System) Serie 380000 (3-System) Serie 380000 (3-System) |
Einsatzland: | Frankreich |
Hersteller: | Alstom |
Herstellungskosten pro Zug: | 12 Mio. Euro |
Anzahl der Züge: | 80 Züge |
Anzahl der Züge im Detail: | 50 Züge (501-550) 6 Züge (4501-4506) 24 Züge (4507-4530) |
Zugtyp: | Triebzug |
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant: | Ursprünglich: 120 / 257 / Heute: 81 / 297 / --- |
Sitzplätze im Detail: | (plus jeweils 16 Sitze in der 2. Klasse) |
Baujahre: | 1991–1993 |
Stromsystem(e): | 25 kV / 50 Hz 1,5 kV Gleichstrom plus 3 kV Gleichstrom plus 3 kV Gleichstrom |
Zugleitsystem(e): | TVM 430 (Frankreich) KVB (Frankreich) Crocodile (Frankreich) plus R54 (Italien) plus TBL/TBL2 (Belgien) |
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit: | 320 km/h |
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst: | 320 km/h |
Antriebsleistung des Zuges: | 8.800 kW |
Jakobsdrehgestelle: | Ja |
Neigetechnik: | Nein |
Zug fährt auch in Traktion: | Ja |
Anzahl der Achsen / davon angetrieben: | 26 / 8 |
Achsformel: | Bo'Bo'+2' 2' 2' 2' 2' 2' 2' 2' 2'+Bo'Bo' |
Federung: | Luftfederung |
Länge / Breite / Höhe der Triebköpfe: | 22.150 / --- / --- mm |
Länge / Breite / Höhe der Mittelwagen: | 18.700 / --- / 3260 mm |
Achslast (maximal): | 17 t |
Leergewicht: | 386 t |
Zuglänge: | 200 m |