Pendolino ETR 450 – Neigetechnik-Hochgeschwindigkeitszug in Italien
Pendolino ETR 450 in Ancona – 19.06.2004 © Rolf Wiemann
Entwicklung eines Triebwagenzuges für den Hochgeschwindigkeitsverkehr
In Italien dominierten lange Zeit lokbespannte Züge; es gab nur wenige schnelle Triebwagenzüge für Einsätze auf der ersten Neubaustrecke, der sogenannten „Direttissima“. Als bereits Japan und Frankreich über reinrassige Hochgeschwindigkeitszüge verfügten, waren zwar schon Pläne zum Bau eines ähnlichen Zuges gemacht, aber finanzielle Mängel und das Nichtvorhandensein von entsprechenden Schnellstrecken verzögerten den Bau eines solchen Zuges. Daher entschied sich die Italienische Staatsbahn Ferrovie dello Stato (FS), den Zugverkehr auf herkömmlichen, kurvenreichen Strecken zu beschleunigen. FIAT entwickelte Ende der sechziger Jahre die Neigetechnik, die 1975 in einem vierteiligen Prototypen der Baureihe ETR 401 ausprobiert wurde. Die Abkürzung „ETR“ steht für „ElettroTreno Rapido“, grob übersetzt „schneller Elektrozug“ oder „Elektrischer Hochgeschwindigkeitszug“. Angespornt durch das problemlose Funktionieren der Neigetechnik bei Probefahrten, setzte die FS den Zug drei Jahre lang im Reiseverkehr ein.
Pendolino-Technik
1986 entschied man sich, endlich die Serienzüge bauen zu lassen. Von 1988 an gingen die vierzehn 8-teiligen Züge nach und nach in Betrieb. Die Leichtbauweise vom ETR 401 wurde konsequent übernommen. Die Achslast betrug nur 12 Tonnen. Im Vergleich zu lokbespannten Zügen war dieser Zug recht schmal und niedrig ausgefallen, was sich vor allem im Innenraum bemerkbar machte. Die Antriebe saßen nicht wie beim ICE oder TGV an den Zugenden, sondern waren unterflur angebracht. Jeweils zwei Wagen bildeten eine Antriebseinheit, ähnlich der japanischen Baureihe 0 oder dem deutschen ICE 3. So konnten die Fahrgäste bis in die Zugenden hinein Platz nehmen. Lediglich der Speisewagen war antriebslos. Der ETR 450 war mit einer Neigetechnik ausgestattet, was ihm ermöglichte, sich wie ein Motorradfahrer in die Kurven zu legen. Selbst wenn er die Kurven 30% schneller durchfuhr als ein herkömmlicher Zug, merkte der Fahrgast keine erhöhten Fliehkräfte. Allerdings stieß die Neigetechnik bei manchen Reisenden auf weniger positive Resonanz, da ihnen durch das Neigen des Zuges übel wurde. Der Neigewinkel betrug maximal 10 Grad. Lediglich die beiden Stromabnehmer neigten sich nicht mit. Diese waren über eine Rahmenkonstruktion fest mit den Drehgestellen verbunden. Technisch war dieser Zug für 250 km/h ausgelegt, so dass er auch auf Neubaustrecken zu einer Verkürzung der Fahrzeit beitrug.
Inneneinrichtung des Pendolino ETR 450
Aufgrund der schmalen und niedrigen Waggons konnten in Querrichtung nur drei Sitze nebeneinander montiert werden. Es gab also nur eine 2 + 1 Bestuhlung, wie es z. B. im ICE in der 1. Klasse der Fall ist. Entsprechend waren auch die italienischen ETR 450 eine ganze Zeit lang nur mit Fahrscheinen der 1. Klasse zugänglich. Nach einiger Zeit des erfolgreichen Einsatzes der 14 Züge orderte die italienische Staatsbahn weitere Wagen, sodass es fortan 15 Züge mit 9 Zwischenwagen gab. Nach einem Umbau der Züge führten die ETR 450 ab 1993 auch Wagen der 2. Klasse.
Einsatzgebiete des ETR 450
Die 15 Züge verkehrten auf folgenden Strecken:
- Ancona – Milano (Mailand)
- Ancona – Roma (Rom)
- La Spezia – Rom
- Perugia – Roma
- Potenza – Roma
- Reggio di Calabria – Roma
- Tarent – Roma
- Vicenza – Roma
Erst mit diesem Zugtyp begann in Italien das Hochgeschwindigkeitszeitalter. Doch mit nur 15 Zügen wurden nur recht wenige Züge dieser Baureihe gebaut. Stattdessen wurden Wünsche nach einem technisch verbesserten Zug laut, was kurze Zeit später zur Neuentwicklung des ETR 460 führte. Probleme bei der Ersatzteilbeschaffung sorgten ab 2004 zuerst für die Abschaltung der Neigetechnik und eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf 200 km/h. Standen große Reparaturen an, wurden die technisch überalterten Fahrzeuge außer Dienst gestellt. Der letzte ETR 450 war 2015 im Plandienst zwischen Reggio (Calabria) und Roma (Rom), bevor er nach Bologna überführt wurde, um als Museumszug aufgearbeitet zu werden.
Italienische Hochgeschwindigkeitszüge im Inland und benachbarten Ausland
Zug- / Baureihenbezeichnung: | Pendolino ETR 450 (ElettroTreno Rapido 450), Eurostar Italia |
Einsatzland: | Italien |
Anzahl der Züge: | 15 Züge |
Zugtyp: | Triebwagenzug |
Anzahl der Mittelwagen: | 7 Mittelwagen |
Anzahl der Endwagen: | 2 Endwagen |
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant: | Ursprünglich: 450 / --- / Heute: 126 / 264 / --- (390 insg.) |
Sitzplätze im Detail: | bis 1993 nur 1. Klasse mit 450 Sitzplätzen (8-Wagen-Zug) ab 1993: 170 / 220 / 0 (9-Wagen-Zug) heute: 126 / 264 / 0 |
Baujahre: | 1986–1988 |
Inbetriebnahme: | 29.05.1988 |
Spurweite: | 1435 mm |
Stromsystem(e): | 3 kV Gleichstrom |
Höchstgeschwindigkeit bei Versuchsfahrten: | 260 km/h |
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit: | 250 km/h |
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst: | 250 km/h |
Antriebsleistung des Zuges: | 5.000 kW |
Anfahrzugkraft: | 190 kN |
Jakobsdrehgestelle: | Nein |
Neigetechnik: | Ja ( 10° ) |
Zug fährt auch in Traktion: | Nein |
Federung: | Stahl-Spiralfederung |
Länge / Breite / Höhe der Mittelwagen: | --- / 2750 / 3260 mm |
Achslast (maximal): | 12 t |
Leergewicht: | 435 t |
Zuglänge: | 234 m |
Ausrangiert: | 07.01.2015 |