Pendolino ETR 460 – Neigetechnik-Hochgeschwindigkeitszug in Italien
Pendolino ETR 460 in Mailand – 08/1997 © Andre Werske
Der Nachfolger vom ETR 450 wird in Auftrag gegeben
Noch während im FIAT-Werk in Savigliano die letzten Pendolino-Mittelwagen der Serie ETR 450 hergestellt wurden, schmiedete man bereits Pläne für eine zweite Generation von Neigezügen.[1] 1991 bestellte schließlich die italienische Staatsbahn Ferrovie dello Stato (FS) bei FIAT 10 Garnituren der Pendolino-Serie ETR 460.[2] In den Jahren 1995 und 1996 verließen die neunteiligen Züge die Werkshallen und absolvierten erste Fahrversuche im italienischen Streckennetz.[3]
Die Neuerungen des Pendolino der 2. Generation
Die ETR 460 sind in jeglicher Hinsicht eine erhebliche Weiterentwicklung der ETR-450-Fahrzeuge. Optisch fallen sie durch die neu gestaltete, eckige Kopfform auf, die vom Stardesigner Giorgio Giugiaro entworfen wurde. Der Führerstand fällt großzügiger aus und auch die Mittelwagen aus extrudiertem Aluminium sind nun so breit, dass in der zweiten Wagenklasse eine 2+2-Bestuhlung möglich ist.[1][4] Das wurde durch das verbesserte, hydraulische Neigesystem mit einer neuen Verstellmechanik möglich, dessen Hydraulikzylinder nicht mehr die Breite der Fahrgasträume einschränken. Die gesamte Neigetechnik konnte unterflur angeordnet werden.[3][5] Fortschritte sind auch im Bereich des Antriebs zu verzeichnen. Nur noch sechs von neun Wagen sind angetrieben. 490 kW starke Drehstrom-Asynchronmotoren werden über Inverter und GTO-Thyristoren angesteuert. Die Gesamtantriebsleistung beträgt 5880 kW, also 1000 kW mehr als ein neunteiliger ETR 450.[3][5] Für internationale Einsätze sind drei der zehn ETR 460 als Zweisystemfahrzeuge konzipiert, die sowohl mit einer Spannung von 3 kV als auch mit 1,5 kV fahren können.[3] Deren Baureihennummer wurde daraufhin auf ETR 463 geändert. Luftgefederte Drehgestelle mit längerem Radstand und druckertüchtigte Wagenübergänge dienen einem höheren Fahrkomfort.[1][5] Die ETR-460-Pendolini haben vom Werk aus zwei Wagenklassen. 134 Sitzplätze bietet die erste Klasse, in der zweiten Klasse finden 322 Fahrgäste Platz.[4]
Einsatzgebiete des ETR 460 und ETR 463
Angeblich soll bereits 1993 die erste Garnitur in Betrieb genommen worden sein, also nur zwei Jahre nach der Bestellung seitens der FS.[4] Die Auslieferung der Züge begann jedoch gemäß anderen Quellen erst 1994[5] bzw. 1995.[3][6] Alle drei Mehrsystem-ETR-460 kamen ab dem Winterfahrplan 1996 auf der Relation Milano – Torino – Lyon (Mailand – Turin – Lyon) zum Einsatz.[4] Um die starken Steigungen durch die Alpenregion gut zu bewältigen, wurde die Getriebeübersetzung geändert, weswegen die drei Züge als ETR 463 nur 200 Stundenkilometer erreichten. 2003 endete der internationale Plandienst. Die Getriebeübersetzung wurde so modifiziert, dass sie wieder 250 km/h erreichen. 2006 kam es zu einem schweren Unfall mit einer ETR-463-Mehrsystemgarnitur. Diese wurde so stark beschädigt, dass sie verschrottet werden musste.[3]
Die sieben übrigen Einsystem-Pendolini kamen ab 1995 zuerst auf der Strecke Roma – Milano – Venezia (Rom – Mailand – Venedig) zum Einsatz. Zusammen mit den ETR 450 war eine Taktverdichtung möglich.[6] Weitere Destinationen von Roma aus waren Bari, Bergamo, Bolzano (Bozen), Lecce, Reggio di Calabria und Savona.[4] 2008 führte die FS neue Zuggattungen ein. Seitdem verkehren die ETR 460 als Frecciabianca im Gleichstromnetz von Roma aus nach Genova (Genua), Ravenna und Reggio di Calabria.[7]
Italienische Hochgeschwindigkeitszüge im Inland und benachbarten Ausland
ETR 460 entgleist
Am 12. Januar 1997 verunglückte ein ETR 460 bei Piacenza schwer. Acht Menschen kamen ums Leben, weitere 30 wurden verletzt. Zuerst vermutete man einen Fehler in der Neigetechnik, weswegen vorerst alle Einheiten dieser Baureihe aus dem Verkehr gezogen wurden. Die Ursache war jedoch die überhöhte Geschwindigkeit. Statt mit 105 km/h fuhr der Eurostar Italia mit 163 km/h, was zur Entgleisung führte.[8][9] Darüber hinaus sollen die ETR 460 generell recht problembehaftet gewesen sein. Dennoch sind sie bis heute (Stand: 2022) im Plandienst[9]
ETR 470 Cisalpino Neigezüge für Verkehre von Italien in die Schweiz
Die Neigezüge der Pendolino-Baureihe ETR 470 sind mit dem ETR 460 verwandt. Allerdings beherrschen die ETR 470 weitere Zugsicherungssysteme und können mit 15 kV Wechselspannung betrieben werden. Aufgrund ihrer geänderten Getriebeübersetzung können sie zwar gut steigungsreiche Streckenabschnitte passieren, doch damit einher ist die Höchstgeschwindigkeit auf lediglich 200 Stundenkilometer begrenzt. Aus diesem Grund ist der ETR 470 seit Herbst 2022 nicht mehr auf dieser Website vertreten.
Zug- / Baureihenbezeichnung: | Pendolino ETR 460 Zuggattung: Frecciabianca |
Einsatzland: | Italien |
Hersteller: | FIAT Ferroviaria |
Anzahl der Züge: | 7 Züge |
Zugtyp: | Triebwagenzug |
Anzahl der Mittelwagen: | 7 Mittelwagen |
Anzahl der Endwagen: | 2 Endwagen |
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant: | 137 / 343 / 23 (503 insg.) |
Sitzplätze im Detail: | oben stehende Angaben aus [3] gemäß [4]: 1. Klasse: 134 Sitzplätze, 2. Klasse: 322 Sitzplätze. |
Baujahre: | 1991–1995 |
Inbetriebnahme: | 1995 |
Spurweite: | 1435 mm |
Stromsystem(e): | 3 kV Gleichstrom |
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit: | 250 km/h |
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst: | 250 km/h |
Motoren: | Drehstrom-Asynchronmotoren |
Antriebsleistung des Zuges: | 5.880 kW ( 12 x 490 kW ) |
Leistungsangaben im Detail: | oben stehende Angaben aus [4] und [5] gemäß Tabelle in [3]: 12 x 550 kW. |
Bremssysteme: | Generatorische Bremse, Scheibenbremse |
Jakobsdrehgestelle: | Nein |
Neigetechnik: | Ja ( aktiv, hydraulisch, 8° ) |
Zug fährt auch in Traktion: | Nein |
Anzahl der Achsen / davon angetrieben: | 36 / 12 |
Achsformel: | (1A)(A1)+(1A)(A1)+2'2'+2'2'+(1A)(A1)+(1A)(A1)+2'2'+(1A)(A1)+(1A)(A1) |
Federung: | Luftfederung |
Länge / Breite / Höhe der Mittelwagen: | 25.000 / 2800 / 3460 mm |
Länge / Breite / Höhe der Endwagen: | 27.200 / 2800 / 3460 mm |
Leergewicht: | 406,5 t |
Zuglänge: | 236,6 m |
Zug- / Baureihenbezeichnung: | Pendolino ETR 463 |
Einsatzland: | Italien zw. 1996 und 2003: auch in Frankreich |
Hersteller: | FIAT Ferroviaria |
Anzahl der Züge: | 3 Züge |
Zugtyp: | Triebwagenzug |
Anzahl der Mittelwagen: | 7 Mittelwagen |
Anzahl der Endwagen: | 2 Endwagen |
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant: | 137 / 343 / 23 (503 insg.) |
Sitzplätze im Detail: | oben stehende Angaben aus [3] gemäß [4]: 1. Klasse: 134 Sitzplätze, 2. Klasse: 322 Sitzplätze. |
Baujahre: | 1991–1995 |
Inbetriebnahme: | 1996 |
Spurweite: | 1435 mm |
Stromsystem(e): | 3 kV (Italien) 1,5 kV (Frankreich) |
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit: | 250 km/h |
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst: | 250 km/h ( von 1996-2003: 200 km/h wg. geänderter Getriebeübersetzung ) |
Motoren: | 12 Drehstrom-Asynchronmotoren |
Antriebsleistung des Zuges: | 5.880 kW ( 12 x 490 kW ) |
Leistungsangaben im Detail: | 3 kV: 5880 kW 1,5 kV: 3920 kW |
Bremssysteme: | Generatorische Bremse, Scheibenbremse |
Jakobsdrehgestelle: | Nein |
Neigetechnik: | Ja ( aktiv, hydraulisch, 8° ) |
Zug fährt auch in Traktion: | Nein |
Anzahl der Achsen / davon angetrieben: | 36 / 12 |
Achsformel: | (1A)(A1)+(1A)(A1)+2'2'+2'2'+(1A)(A1)+(1A)(A1)+2'2'+(1A)(A1)+(1A)(A1) |
Federung: | Luftfederung |
Länge / Breite / Höhe der Mittelwagen: | 25.000 / 2800 / 3460 mm |
Länge / Breite / Höhe der Endwagen: | 27.200 / 2800 / 3460 mm |
Leergewicht: | 406,5 t |
Zuglänge: | 236,6 m |
Verbleib: | 1 Zug nach Unfall 2006 ausgemustert |
Quellenangaben
- Murray Hughes: „Die Hochgeschwindigkeitsstory – Eisenbahnen auf Rekordfahrten“, Alba Publikation AIF Teloeken GmbH + Co. KG, Düsseldorf, 1994, S. 130–131.
- Horst J. Obermayer: „Internationaler Schnellverkehr – Superzüge in Europa und Japan“, Franck-Kosmos Verlags-GmbH + Co., Stuttgart, 1994, S. 164–165.
- Thomas Estler: „Schnelle Züge weltweit“, Stuttgart: transpress-Verlag, 2011, S. 47.
- Tomas Meyer-Eppler: „Bildatlas der schnellsten Züge“, München, GeraMond Verlag, 2011, S. 64.
- Konrad Koschinski, Michael Krolop: „Neigetechnik in Europa“, Eisenbahn Journal, Special-Ausgabe 4/2001, Hermann Merker Verlag GmbH, 82256 Fürstenfeldbruck, S. 22
- Alfonso Marco: „El final del ‚Pendolino‘ ETR 450“, Via Libre, enero 2015, p. 59.
- „ETR 460 in Weiss“, Eisenbahn-Revue International, Ausgabe 8-9/2013, S. 413.
- „Hochgeschwindigkeitszug entgleist“, Rheinische Post Online, News vom 08.04.1997.
- „Entgleister Pendolino fuhr zu schnell“, Die Welt Online, News vom 14.01.1997.