Shinkansen Serien N700 und N700A – Hochgeschwindigkeitszüge in Japan

Shinkansen Serie N700, Variante Z, Sanyo-Shinkansen zw. Okayama und Aioi. –  © Wikipedia: Mitsuki-2368

Shinkansen Serie N700, Variante Z, Sanyo-Shinkansen zw. Okayama und Aioi. – © Wikipedia: Mitsuki-2368 (CC BY-SA 3.0)

Warum eine neue Baureihe 700?

„Rasant steigende Rohstoff- und Energiepreise verändern dramatisch den Einkauf der DB“[1], so zu lesen in einem Fachmagazin der Deutschen Bahn aus dem Jahr 2008. Die Bahnbetreiber versuchen mit optimierten Fahrzeugen Preissteigerungen aufzufangen. Für die japanischen Bahngesellschaften JR Central und JR West gab es allerdings weitere Gründe, warum nur wenige Jahre nach dem Start der Shinkansen-Baureihe 700 im Jahr 1999 eine weiterentwickelte Version gewünscht wurde: noch höhere Geschwindigkeiten, Lärmreduzierung, verminderte Wartungskosten und eine Qualitätserhöhung für die Reisenden, „sodass sich letztendlich die deutlich höheren Kosten für die Züge rechnen“.[2]

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Was hat sich bei der Shinkansen-Serie N700 verbessert?

Neigetechnik: Als im April 1959 mit dem Bau der ersten Schnellfahrstrecke Japans, der Tokaido-Hauptstrecke, begonnen wurde, rechnete damals wohl niemand damit, dass eines Tages Züge regulär mit Tempo 300 verkehren könnten.[3]„Der kleinste Krümmungshalbmesser für die geplante Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h wurde auf 2500 m festgesetzt, etwas großzügiger, als das Minimum, das die Untersuchungen für die Bequemlichkeit und Sicherheit der Fahrgäste herausgefunden hatten.“[3] Mit solch „engen“ Bögen waren nur kleine Geschwindigkeitssteigerung auf den Tokaido-Shinkansen möglich. Um die Höchstgeschwindigkeit ihrer Superzüge weiter hochzuschrauben, wurde die Shinkansen-Baureihe N700 „mit einer über die Luftfederungen betätigten Neigeeinrichtung ausgerüstet, die eine geringe Wagenneigung von einem Grad ermöglicht. Damit können sogar Kurven mit einem Radius von 2.500 m mit 270 km/h durchfahren werden.“[4] Ohne Neigetechnik lag die Geschwindigkeitsgrenze bei 255 km/h.[5]

Aerodynamische Optimierungen: Die Züge der neuen Serie N700 sollten noch leiser werden als ihre Vorgänger der Serie 700. Dazu wurde die Entenschnabel-förmige Front der Endwagen überarbeitet und weist nun großzügig geschwungene Wellen auf, die die Luft zum Fahrwerk und zum Dach hin ableiten. Auch der Unterboden und die Drehgestelle wurden aerodynamisch verbessert. Die Wagenübergänge sind nun allseits bündig geschlossen.[2]

Bessere Beschleunigung: Für Hochgeschwindigkeitszüge ist es wichtig, innerhalb kürzester Zeit auf ihre Maximalgeschwindigkeit zu kommen. Daher wurde die Antriebsleistung beim N700 gegenüber der Baureihe 700 von 13.200 kW auf 17.080 kW erhöht. Die Beschleunigung konnte somit von 1,6 km/h pro Sekunde auf 2,6 km/h pro Sekunde gesteigert werden. „Innerhalb von weniger als zwei Minuten erzielt der N700 so 250 km/h!“[2] Um auf 270 km/h zu kommen, sind jedoch bereits drei Minuten nötig.[5] Zum Vergleich: Die Magnetschwebebahn Transrapid benötigt 1,9 Minuten, um auf Tempo 300 zu kommen; ein ICE der Baureihe 403 dagegen 5,4 Minuten.[6] Damit einher erhielten die Züge eine verbesserte Version des Zugbeeinflussungssystems ATC (Automatic Train Control).[4]

Komfortzuwachs: Die Serie N700 ist auch im Innenraum leiser geworden. Ermöglicht wird dies durch eine verbesserte Isolierung der Wagenkästen. Eine neuartige Klimaanlage gestattet es jedem Fahrgast, die Temperatur an seinem Sitzplatz individuell einzustellen.[2] Ansonsten entspricht die Innenraumgestaltung prinzipiell der der Serie 700: 1323 Sitzplätze, aufgeteilt in zwei Wagenklassen (Green Class mit Sitzteiler 2+2 und Standard Class mit 2+3-Bestuhlung).[2][7]

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Die verschiedenen Varianten der Serie N700 bzw. N700A

N700-0 (Variante Z) > N700-2000 „N700A“ (Variante X)

JR Central: 80 Züge. Ursprünglich wurden 80 sechzehnteilige Serien-Garnituren mit den Fahrzeugnummern Z1–Z80 von JR Central beschafft.[5][8] Ein Vorserienmodell (Z0) erbrachte ab März 2005 den Probebetrieb mit Fahrgästen.[2] Im Regelbetrieb war die Garnitur Z0 nicht anzutreffen. 2014 wurde der Z0 in X0 umbenannt[9] und 2019 ausrangiert.[5] Der Betrieb nach Fahrplan mit den ersten Serienfahrzeugen begann am 1. Juli 2007.[5] Die Auslieferung lief bis 2011.[8] Mit der Serie N700 endete bis 2009 die Ära der Baureihen 300, 500 und 700 im Nozomi-Dienst auf den Tokaido- und Sanyo-Shinkansen. [4][5] Bis zu 74 Fahrten als Nozomi bewältigten die N700-Hochgeschwindigkeitszüge Ende der 2000er Jahre.[10] Dabei sparten die Fahrgäste im Vergleich zur 700er Serie auf der Relation Tokio – Osaka fünf Minuten Fahrzeit ein.[11] Außerdem verrichteten die Züge der Baureihe N700 auch langsamere Hikari- und Kodama-Dienste.[5] Dank einem Modernisierungsprogramm, das 2015 endete, verkehren diese Garnituren nicht mehr als N700-0, sondern als N700-2000 „N700A“. Bei diesem Tuning-Programm erhielten die Züge nachträglich die gleichen Verbesserungen wie die N700-1000. Letztendlich kann man sagen, dass die Einheiten N700-1000 mit denen der N700-2000 identisch sind.

N700-1000 „N700A“ (Variante G)

JR Central: 51 Züge. Nach den 80 Einheiten der ersten Bauserie folgten 51 modifizierte Garnituren. Die Außenmaße der 16-teiligen Züge wurden beibehalten, sie erhielten aber ein stärkeres Bremssystem, ein verbessertes ATC-Zugbeeinflussungssystem sowie Vibrationsdetektoren zur Überwachung der Fahreigenschaften.[9] Diese Optimierungen sorgten für das A hinter dem Kürzel N700, was für „Advanced“ (Fortgeschritten) steht.[5]

N700-3000 (Variante N) > N700-5000 „N700A“ (Variante K)

JR West: 16 Züge. Der Betreiber der Sanyo-Shinkansen beschaffte 16 sechzehnteilige Züge.[12] Sie entsprachen ursprünglich technisch denen der N700-0.[4] Auch sie erhielten nachträglich die Verbesserungen, die sie zur N700A-Familie aufwerteten. Seit 2016 rollen sie als N700-5000.

N700-4000 „N700A“ (Variante F)

JR-West: 24 Züge. Dieser Bahnbetreiber bestellte nach den 16 N700-3000 weitere 16-teilige Einheiten, die vom Werk an mit einem verbesserten Bremssystem und ATC ausgestattet wurden und Vibrationsdetektoren aufweisen.[5]

N700-7000 (Variante S)

JR West: 9 Züge. Neun[12] 8-teilige Züge wurden für JR West ab 2007 entwickelt. 2008 erschien ein Prototyp, dem kurze Zeit später die Serienzüge folgten. Ihr Einsatz erstreckt sich auf die Sanyo- und Kyushu-Hauptstrecken. Im Gegensatz zu ihren 16-gliedrigen Verwandten können sich die N700-7000 nicht neigen, was auch nicht nötig ist, da sie nicht auf der Tokaido-Linie verkehren. Dafür sind alle Achsen angetrieben, um auf der steigungsreichen Kyushu-Strecke ihre Höchstgeschwindigkeit voll ausfahren können. Auch die Inneneinrichtung ist anders. In der Standard Class gibt es eine 2+2-Bestuhlung.[4] Offenbar wurde die Bestellung im Laufe der Jahre auf 19 Züge aufgestockt.[5]

N700-8000 (Variante R)

JR Kyushu: 10 Züge. Zehn[12] 8-teilige Züge bestellte der Bahnbetreiber JR Kyushu für Einsätze auf den Schnellfahrstrecken Kyushu und Sanyo. Die Auslieferung erfolgte ab 2007. Auch sie erhielten keine Neigetechnik. Dafür sind alle Achsen motorisiert.[4] Die Varianten R und S gleichen sich somit. Laut Wikipedia sollen es aber inzwischen 11 Garnituren dieser Variante geben.[5] Alle 9+10 (oder: 19+11) achtteiligen N700 der Varianten R und S verkehren seit März 2011 als schnelle „Mizuho“ und langsamere „Sakura“.[4]

N700-I

Unter diesem Projektnamen wollte JR Central in Kooperation mit den japanischen Eisenbahnherstellern ihr neuen Flaggschiff international vermarkten. Angeboten wurde standardmäßig eine achtteilige Einheit für eine Höchstgeschwindigkeit von 330 km/h. Es wären aber auch je nach Kundenwunsch 6- bis 16-teilige Garnituren möglich gewesen. Als Jahre später die Generation N700S produziert wurde, favorisierte man natürlich die neueste Version für internationale Angebote.[5]

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Wie diese Aufstellung zeigen soll, wurden nicht nur vom Hersteller N700A-Garnituren gebaut, sondern auch alle N700 Mitte der Zehnerjahre durch technische Updates zu N700A-Fahrzeugen aufgewertet. Insgesamt gab es sage und schreibe 171 sechzehnteilige N700A sowie 30 achtteilige N700 plus einem 16-teiligen Vorserienmodell Z0. Leider sollen schon wieder 22 Garnituren ausgemustert worden sein, einer davon wegen einem Brand. Mit Stand April 2022 gab es also „nur“ noch 179 Exemplare der N700(A)-Familie.[5]

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Shinkansen-Streckennetzkarte


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Technische Daten: Shinkansen Serie N700
Zug- / Baureihenbezeichnung:Shinkansen Serie N700
Einsatzland:Japan (JR Central)
Hersteller:Hitachi, Kawasaki Heavy Industries, Kinki Sharyo, Nippon Sharyo
Zugtyp:Triebwagenzug
Anzahl der Mittelwagen:14 Mittelwagen
Anzahl der Endwagen:2 Endwagen
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant:200 / 1123 / ---
Baujahr:2005
Inbetriebnahme:Juli 2007
Spurweite:1435 mm
Stromsystem(e):25 kV 60 Hz
Zugleitsystem(e):ATC-1, ATC-NS, KS-ATC
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit:300 km/h
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst:300 km/h
Antriebsleistung des Zuges:17.080 kW ( 56 x 305 kW )
Jakobsdrehgestelle:Nein
Neigetechnik:Ja ( 1° )
Zug fährt auch in Traktion:Nein
Länge / Breite / Höhe der Mittelwagen:25.000 / 3360 / 3600 mm
Länge / Breite / Höhe der Endwagen:27.350 / 3360 / 3600 mm
Leergewicht:715 t
Zuglänge:404 m

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Technische Daten: Shinkansen Serie N700A
Zug- / Baureihenbezeichnung:Shinkansen Serie N700A
Einsatzland:Japan
Hersteller:Kawasaki Heavy Industries
Hitachi
Nippon Sharyo
Kinki Sharyo
Zugtyp:Triebwagenzug
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant:--- / --- / --- (1323 insg.)
Spurweite:1435 mm
Stromsystem(e):25 kV / 60 Hz
Zugleitsystem(e):verbessertes, digitales ATC (Automatic Train Control) - System
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit:300 km/h
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst:300 km/h
Jakobsdrehgestelle:Nein
Neigetechnik:Ja ( 1° )
Zug fährt auch in Traktion:Nein

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Quellenangaben

  1. „Strategien für bessere Preise“, bahntech, Das Technik-Magazin der Deutschen Bahn AG, Nr. 02/08, S. 24.
  2. Wolfram Veith: „NeiTech-Shinkansen“, Eisenbahn Magazin, 08/2005, S. 40.
  3. G. Freeman Allen: „5. Japans Bullet Trains – der Shinkansen“ in: „Die schnellsten Züge der Welt“, Franckh’sche Verlagshandlung Stuttgart, 1978, S. 86.
  4. Thomas Estler: „Die Reihe N700“ in: „Schnelle Züge weltweit“, transpress Verlag Stuttgart, 1. Auflage 2011, S. 126–127.
  5. https://en.wikipedia.org/wiki/N700_Series_Shinkansen, abgerufen am 22.09.2024.
  6. „Transrapid und ICE 3 im Vergleich“ in: „Die ICE Familie“, Eisenbahn Journal Special, Hermann Merker Verlag Fürstenfeldbruck, Ausgabe 05/99, S. 83.
  7. Dr. Helmut Petrovitsch: „Tokaido- und Sanyo-Shinkansen: Kurzcharakteristik der Züge“ in: „Das Shinkansen-Hochgeschwindigkeits-Netz in Japan“, Eisenbahn-Revue International, 07/2002, S. 326.
  8. Thomas Estler: „Technische Daten der Shinkansen: 700–E6“ in: „Schnelle Züge weltweit“, transpress Verlag Stuttgart, 1. Auflage 2011, S. 121–122.
  9. https://de.wikipedia.org/wiki/Shinkansen-Baureihe_N700, abgerufen am 22.09.2024.
  10. „Winter 2008/2009 Train Schedule Update (JR Central)“, 17.10.2008.
  11. „Baureihe N700“, Webseite der JR Central, Shinkansen-Baureihe N700.
  12. „World High Speed Rolling Stock“, UIC high-Speed, uic.org, 01.11.2011.